Vatikan besorgt über rüden Einsatz in Belgien gegen Kirche

Auch diplomatisch ein gravierender Vorfall

Das aktuelle Problem zwischen dem Königreich Belgien und dem Heiligen Stuhl sind nicht die polizeilichen Untersuchungen an sich. Woran die Diplomaten des Heiligen Stuhls Anstoß nehmen, ist die Form des extrem harschen Vorgehens. Johannes Schidelko berichtet aus Rom.

 (DR)

Der Vatikan betrachtet das Vorgehen der belgischen Justiz gegen die Bischöfe des Landes und die Schändung von Kardinalsgräbern in der Krypta der Mechelner Kathedrale als "sehr schwerwiegend". Außenminister Erzbischof Dominique Mamberti bestellte den belgischen Botschafter Charles Ghislain ein - ein seltener Vorgang. Auffallend rasch veröffentlichte das vatikanische Staatssekretariat eine besorgte Erklärung.

Papst Benedikt XVI. schickte den Bischöfen Belgiens eine Solidaritätserklärung, die ebenfalls veröffentlicht wurde. Allerdings äußerte sich das Kirchenoberhaupt nichtöffentlich zu dem Vorgang, wie Beobachter zunächst für das Mittagsgebet am Sonntag erwartet hatten. Und falsch waren Gerüchte, der Heilige Stuhl wolle seinen Nuntius aus Brüssel zurückbeordern oder gar die diplomatischen Kontakte abbrechen.

Der Vatikan breche prinzipiell nicht von sich aus diplomatische Beziehungen ab, heißt es dazu in Kurienkreisen. Der Heilige Stuhl wolle sich grundsätzlich alle Möglichkeiten offenhalten, um auch in schwierigen Situationen diese Verbindung nutzen zu können. Daher bedauert man auch, dass Staaten wie die Volksrepublik China oder Vietnam ihre Beziehungen zum Papst abbrachen und den Vatikanvertreter des Landes verwiesen. In beiden Fällen bemüht sich die römische Diplomatie seit Jahren um eine Normalisierung.

Extrem harsches Vorgehen
Das aktuelle Problem zwischen dem Königreich Belgien und dem Heiligen Stuhl sind nicht die polizeilichen Untersuchungen an sich. Im Gegenteil, man sei zur Zusammenarbeit mit der Justiz bereit, erst recht wenn es um die Aufklärung von Missbrauchsfällen geht, stellte das Staatssekretariat klar. Denn alle Missbrauchsvergehen und erst recht solche durch Kirchenvertreter seien auf das "Entschiedenste" zu verurteilen, stellt der Vatikan klar.

Woran die Diplomaten des Heiligen Stuhls Anstoß nehmen, ist die Form des extrem harschen Vorgehens: Dass die zur Vollversammlung zusammengetretenen Bischöfe stundenlang festgehalten wurden; dass ihre PCs und Handys konfisziert wurden; dass vertrauliche Unterlagen beschlagnahmt wurden und die Behörden damit in den Besitz vertraulicher Angaben der Opfer gelangten. Und dass die Sarkophage von zwei Kardinälen aufgebohrt und deren Marmor zerstört wurde. Als hätte die Bischofskonferenz nach Dan-Brown-Manier in den Gräbern belastendes Material versteckt, um Missbrauchsfälle zu vertuschen, erregt sich ein Vatikan-Diplomat.

Derartiges habe es nicht mal unter den alten kommunistischen Regimes gegeben, meinte ein sichtlich verstimmter Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone am Wochenende bei einem Universitätsbesuch in Rom. In der Tat genossen die Kirchenführer etwa in Polen oder in der DDR generell Versammlungsfreiheit - was jedoch nicht für alle ehemaligen Ostblockstaaten gleichermaßen galt.

Nicht der erste Konflikt
Es ist nicht das erste Mal, dass der Vatikan und Belgien diplomatisch aneinandergeraten. Im Frühjahr 2009 hatte sich der Heilige Stuhl in scharfer Form gegen eine Kritik der belgischen Regierung an Kondom-Äußerungen von Papst Benedikt XVI. gewandt. Das Staatssekretariat bekundete damals sein Bedauern darüber, dass das Parlament in Brüssel den Papst auf Grundlage einer aus dem Zusammenhang gerissenen und verkürzt wiedergegebenen Interviewaussage kritisiere. Bei seinem Flug nach Kamerun hatte der Papst erklärt, Aids könne nicht mit der Verteilung von Kondomen überwunden werden. Notwendig sei eine Stärkung der sexuellen Verantwortung. Damals saß die bilaterale Verstimmung so tief, dass Nuntius Karl-Josef Rauber bei seinem Abschied im April 2009 auf die üblichen Zeremonien und Empfänge verzichtete.

Vermutlich werden sich beide Seiten in den kommenden Wochen um Schadensbegrenzung bemühen. Der Vatikan wird auf die legitime Trennung von Kirche und Staat und die Autonomie der je unterschiedlichen Kompetenzen hinweisen. In der Tat besitzen Bischöfe in den meisten Rechtsstaaten keine Immunität, die über den normalen Respekt für seelsorgerische Belange und deren Schutz hinausgeht. Vermutlich wird der Heilige Stuhl daher ein faires und respektvolles gegenseitiges Verhältnis anmahnen, das der staatsbürgerlichen Loyalität der Katholiken und der kirchlichen Bereitschaft zur Zusammenarbeit für das Gemeinwohl Rechnung trägt.