Widerruf eines Amtsverzichts ist kirchenrechtlich ein Problem

Bischof in schwerer Furcht

Der Fall Mixa stellt das Kirchenrecht vor schwierige Fragen. Der frühere Augsburger Bischof erklärte am Mittwoch in einem Interview der Zeitung "Die Welt", dass sein Rücktritt nicht ganz freiwillig war. Er habe eine "vorgefertigte" Rücktrittserklärung nur unter starkem Druck unterzeichnet. "Es war für mich wie ein Feuerofen", sagte er. Handlung unter Zwang ist ein Sachverhalt, der auch kirchenrechtlich relevant ist.

Autor/in:
Burkhard Jürgens und Andreas Otto
 (DR)

Weder können Bischöfe eigenmächtig ihren Rücktritt erklären, noch trifft sie eine Entpflichtung wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Wenn ein Bistumsleiter die Altersgrenze von 75 erreicht oder er laut dem katholischen Kirchenrecht «wegen seiner angegriffenen Gesundheit oder aus einem anderen schwerwiegenden Grund nicht mehr recht in der Lage ist, seine Amtsgeschäfte wahrzunehmen», ist er angehalten, seinen Amtsverzicht anzubieten. Dieser wird wirksam, wenn der Papst ihn annimmt.

Aber was, wenn ein Bischof nicht wirklich freiwillig zurücktritt? Dass ein Oberhirte wie Mixa sein Verzichtsangebot widerruft, hat laut dem Münchener Kirchenrechtshistoriker Stephan Haering keine Parallele in den vergangenen zwei Jahrhunderten. Auch der «Kodex des kanonischen Rechts», das gültige Gesetzbuch von 1983, sieht eine solche Situation nicht vor. Fest steht aber, dass laut dem Rechtskanon 188 ein Amtsverzicht «aufgrund schwerer, widerrechtlich eingeflößter Furcht, arglistiger Täuschung, eines wesentlichen Irrtums» oder aufgrund von Bestechung ungültig ist.

Auf das Furcht-Argument könnte sich ein Bischof in der Lage Mixas stützen, wobei «schwere Furcht» sehr subjektiv ist, wie Georg Bier, Professor für Kirchenrecht in Freiburg, betont. Zwar gibt es gegen Rechtsakte des Papstes keine Berufungsmöglichkeit; theoretisch könnte es aber vorkommen, dass eine päpstliche Entscheidung auf unzureichenden Grundlagen fußt. Ein unter Furcht gegebenes Verzichtsangebot ist laut Bier ungültig; deshalb könne auch die Annahme durch den Papst nicht gültig sein.

Haering weist allerdings darauf hin, dass der Widerruf Mixas drei Tage nach seinem Verzicht vom 21. April erfolgte, die Rücktrittsannahme durch den Papst aber erst am 8. Mai. Das legt für den Münchner Rechtsprofessor nahe, dass die Gründe gründlich geprüft wurden. Ähnlich sieht es auch der Münsteraner Kirchenrechtler Klaus Lüdicke: Sollte es stimmen, dass Mixa drei Tage später sein Rücktrittsgesuch widerrufen habe, dann habe Benedikt XVI. den Rückzieher nicht beachtet oder nicht für ausschlaggebend gehalten.

Einem Oberhirten, der seinen Amtsverzicht als erzwungen ansieht, steht jedenfalls der Weg an ein römisches Kirchengericht offen:
Dieses müsste überprüfen, ob das Verzichtsangebot aus den genannten Gründen von Rechts wegen ungültig war. Welche Folgen dies hätte, sehen Experten unterschiedlich: Laut Lüdicke hat es keine Auswirkungen, wenn ein Gericht das Rücktrittsgesuch als erzwungen und damit ungültig einstuft. Einen vom Papst angenommenen Amtsverzicht könne das Gericht selbst nicht wieder aufheben. Die Entscheidung des Papstes, einen Bischof zu entpflichten, gelte auch unabhängig von einem vorgängigen Gesuch. Auch wegen anderer Umstände könne der Papst einen Bischof entpflichten. Und über einen neuerlichen Einsatz des Bischofs befinde ebenfalls allein der Papst.

Nach Auffassung von Bier hingegen würde eine kirchengerichtliche Nichtigkeitsfeststellung bedeuten, dass für den betreffenden Bischofsstuhl keine Vakanz eingetreten ist, der bisherige Bistumsleiter also noch im Amt ist. Daran knüpften sich weitere heikle kirchenrechtliche Fragen an - etwa, inwieweit ein solcher Bischof Amtsgeschäfte wahrnehmen kann.

Haering glaubt, dass es in einem solchen Fall eine Neuernennung geben müsste, nicht einfach eine Rückkehr ins alte Amt. Überdies bezweifelt der Rechtshistoriker, dass die römischen Kirchengerichte mit ihrer eher schwerfälligen Arbeitsweise die richtigen Organe zur Lösung des Problems wären. Unabhängig davon wird der Vatikan sehr daran interessiert sein, die Lage rasch zu klären - bevor ein Nachfolger ernannt wird.