Nach einem harten Wahlkampf kommen sich Rüttgers und Kraft nur langsam näher

Schwarz-rote "Abrüstungsgespräche" im Raum "Peking"

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ließ Hannelore Kraft den Vortritt. Als CDU und SPD nach dreieinhalbstündigen Gesprächen in einem Hotel am Düsseldorfer Flughafen ihre erste Sondierung beendeten, durfte zunächst die SPD-Landesvorsitzende vor den Journalisten eine Einschätzung abgeben. Kraft sprach knapp von einem "offenen" Gespräch. Der CDU-Landeschef betrachtete sie dabei mit ernster Miene und sagte danach, er wolle bei der Fortsetzung der Gespräche am Dienstag "Vertrauen" schaffen. Vertrauen müsse wachsen.

Autor/in:
Martin Teigeler
 (DR)

Vertrauen fehlte bisher weitgehend zwischen den beiden Volksparteien in Nordrhein-Westfalen. Die Erklärungen, man habe "offen, ernsthaft und intensiv" beraten, wirkten dann auch wie eine etwas fadenscheinige Sprachregelung nach einem ersten Treffen lange Zeit verfeindeter Kontrahenten. Beinhart hatten sich SPD und CDU seit Jahren bekämpft. Im Wahlkampf hatte die SPD Rüttgers wegen der Sponsoring-Affäre als käuflich attackiert. Von der CDU war Kraft als lügende Planerin einer Linksregierung dargestellt worden.

Kurz vor 13.00 Uhr waren zwölf Christdemokraten und neun Sozialdemokraten im Raum "Peking C" zusammengekommen. Die Köche des Edelhotels servierten den Politikern deftige Kost. Es gab Schnitzel, Blutwurst und Mousse au Chocolat. Nach anfänglichem Fremdeln soll sich dabei laut Teilnehmern ein schwarz-rotes "Abrüstungsgespräch" entwickelt haben, bei dem die SPD den Ton vorgab. Kraft ergriff vor Rüttgers das Wort. Dabei ist die CDU knapp stärkste Partei. Beide Seiten hatten sich extra an einem neutralen Ort getroffen, um diplomatische Spannungen wie die Frage des Gastgebers zu vermeiden.

Laut Teilnehmerberichten waren zunächst Streitpunkte und "Verletzungen" aus dem Wahlkampf Thema der Diskussion. Die CDU wies noch einmal den Vorwurf der Käuflichkeit gegen Rüttgers wegen der Sponsoring-Affäre zurück. Die SPD rügte die "Kraftilanti"-Kampagne der CDU, bei der Kraft mit der gescheiterten hessischen SPD-Politikerin Andrea Ypsilanti verglichen worden war.

Insgesamt sei die Gesprächsatmosphäre "fair" gewesen, hieß es anschließend von CDU-Seite. Ein SPDler staunte: "Es ist unglaublich, inhaltlich ist die CDU offenbar bereit, ihre bisherigen Positionen weitgehend abzuräumen."

Streitthemen wie die Schulpolitik und die Studiengebühren wurden bei der ersten Unterredung jedoch ausgespart. Bei der Stärkung der Kommunalfinanzen und der Schaffung von mehr "Öko-Jobs" gaben sich die Christdemokraten aber bereits kompromissbereit.

Schon bei seinem Eintreffen vor dem Hotel hatte sich Rüttgers flexibel gezeigt. Eine mögliche große Koalition würde "eine andere Politik machen" als in den vergangenen fünf Jahren. Die vergangenen fünf Jahre - Rüttgers spricht schon darüber, als rede er von einem Stück Geschichte, das abgeschlossen ist. Dabei ist seine schwarz-gelbe Koalition derzeit weiter geschäftsführend im Amt.

Ob Rüttgers in einem Bündnis von Sozial- und Christdemokraten Regierungschef bleiben kann, ist offen. Am Wahlabend hatte er im CDU-Landesvorstand angeblich bereits seinen Rücktritt angeboten. Nun tritt er wieder als unangefochtener CDU-Chef auf. Über Personalfragen wurde am Dienstag noch nicht gesprochen.

Die politische Zukunft des stellvertretenden CDU-Bundeschefs hängt von Kraft ab. Will und kann die SPD-Landesvorsitzende ihrer Partei eine große Koalition nach den schlechten Erfahrungen mit Schwarz-Rot im Bund schmackhaft machen? Als Juniorpartner der Union würde nicht viel übrig bleiben vom "gefühlten" SPD-Wahlsieg vor zweieinhalb Wochen. "Einzige Möglichkeit der SPD, ein Gegengewicht zum Ministerpräsidenten zu stellen, wäre ein Super-Ministerium unter Führung von SPD-Chefin Kraft. Sie könnte ein Ministerium mit den Ressorts Wirtschaft, Arbeit und Soziales übernehmen, um eine Art Neben-Staatskanzlei als Gegenspielerin eines CDU-Ministerpräsidenten aufzubauen", riet der Duisburger Politologe Timo Grunden. Eine große Koalition wäre in jedem Fall riskant für die SPD.

Bevor am Dienstag weiter sondiert wird, treffen sich die NRW-Genossen am Samstag zu einem kleinen Landesparteitag in Bochum. An der SPD-Basis brodelt es. Die große Koalition ist unbeliebt. Wird der Druck der Mitglieder zu groß, könnte Kraft versucht sein, Neuwahlen im Herbst anzustreben. Laut Umfragen ist die Mehrheit der NRW-Bürger für einen erneuten Urnengang.