Vatikan kommentiert vermeintlichen Gen-Forschungsdurchbruch

Aus Erfahrung zurückhaltend

"Forscher erschaffen erstmals künstliches Leben", schallt es durch die Medien; Wissenschaftler sei es gelungen, Erbgut selber herzustellen und in eine Zelle einzupflanzen. Der Vatikan will sich mit voreiligen Bewertungen zum angeblichen Sensationsfund zurückhalten. Wissenschaft und Politik mahnen Vorsicht an.

 (DR)

Man wolle erst mehr Details wissen und mehr Informationen abwarten, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi am Freitag gegenüber Journalisten. In der Vergangenheit habe es mehrfach ähnliche Ankündigungen gegeben, die sich später als überzogen herausstellten, fügte er hinzu.

Nach einem Artikel der Zeitschrift "Science" soll der amerikanische Gen-Forscher Craig Venter im Labor eine künstliche Zelle erzeugt haben, die von einer synthetischen DNS kontrolliert werde und die sich wie eine natürliche Zelle teilen und vermehren könne.

"Ich frage mich, ob es ethisch richtig ist"
Auch Erzbischof Bruno Forte von von der Päpstlichen Theologenkommission  äußerte sich zurückhaltend zu Meldungen, der Schritt zur Schaffung künstlichen Lebens sei gelungen. "Ich bewundere die Intelligenz, die das zustande bringt, aber ich frage mich, ob es ethisch richtig ist", sagte er in einem Interview mit dem "Corriere della Sera" vom Freitag. Allerdings stünden Glaube und wissenschaftliche Vernunft nicht im Gegensatz zueinander, erklärte der Erzbischof von Chieti-Vasto in den Abruzzen. Zugleich äußerte der Oberhirte «Bewunderung für die Fähigkeiten der menschlichen Intelligenz, die hier deutlich werden.»

Der erreichte Durchbruch in der Gentechnik sei ein «sehr schöner Erfolg», sagte der Präsident der Päpstlichen Wissenschaftsakademie, Nicola Cabibbo, der Tageszeitung «La Repubblica». Der Physiker bezeichnete das Ergebnis als «ermutigend für die wissenschaftliche Forschung».

Unterdessen sprach der Rechtsexperte der italienischen Bischofskonferenz, Bischof Domenico Mogavero, hinsichtlich der angeblichen Entdeckung von einer "potenziellen Zeitbombe, einem gefährlichen zweischneidigen Schwert". Die möglichen Folgen könne man noch nicht erahnen und abschätzen, sagte er gegenüber der Turiner Zeitung "La Stampa".

Jens Reich: Noch keine ethischen Probleme
Der SPD-Forschungspolitiker René Röspel verwies darauf, dass Venter angekündigt habe, die Software des Lebens umzuschreiben. Bei der Versetzung von Erbgut in Einzeller gehe es um die Technikfolgenabschätzung, sagte Röspel dem epd. Man müsse klären, was solche Eingriffe für die Umwelt bedeuteten. Die synthetische Biologie sei aber ein Bereich, der sich sehr schnell entwickle.

Ethische Fragen stellten sich, wenn in das Erbgut des Menschen eingegriffen werde. Dazu Stellung zu nehmen sei eine der Aufgaben des Deutschen Ethikrats, sagte Röspel, der in der vergangenen Legislaturperiode Vorsitzender des Ethikbeirates im Bundestag war. Das Gremium ist nach der Bundestagswahl bislang nicht wieder eingerichtet worden.

Der Berliner Biologe und Mediziner Jens Reich sieht derzeit noch keine ethischen Probleme im Zusammenhang mit Venters Forschung. Man sei schon lange dabei, das Genom von Bakterien zu manipulieren, sagte er einem Bericht der «Berliner Zeitung» (Freitagsausgabe) zufolge. Der frühere DDR-Bürgerrechtler hält die künstliche Erzeugung von höheren Lebewesen auf absehbare Zeit nicht für realistisch. «Das scheitert schon an der Komplexität dieser Organismen», sagte Reich, der Mitglied des Deutschen Ethikrates ist.

EKD rät nach zur Vorsicht
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) rät angesichts der Schaffung einer Zelle mit künstlichem Kern durch den US-Wissenschaftler Craig Venter zur Vorsicht. So harmlos und harmonisch, wie es bei Venter klinge, sei das Verhältnis zwischen Evolution und künstlichen Lebewesen nicht, sagte der Präsident des EKD-Kirchenamtes, Hermann Barth, am Samstag in Hannover dem epd: «Wissen wir, wie sich künstliche Lebewesen in unserer Lebenswelt verhalten? Wissen wir genug über die Risiken? Oder sind Craig Venter und sein Team unterwegs auf einem Blindflug?»

Craig und sein Team hätten keinesfalls die Rolle des Schöpfers übernommen, sagte Barth. «Richtig ist, dass sie sich aus den vorhandenen Bausteinen des Lebens wie aus einem Setzkasten bedient und sie zu einem neuen Lebewesen zusammengesetzt haben.» Gott, der Schöpfer, erschaffe dagegen aus dem Nichts. Craig Venter selbst habe betont, dass er Leben nicht von Grund auf neu schaffe, sondern das Material des Lebens, die Bausteine der DNS, neu zusammensetze und damit auf mehr als drei Milliarden Jahren Evolution aufbaue.

Barth empfahl, den Rat zu beherzigen, den die jüdische Weisheit im biblischen Buch Jesus Sirach an die Hand gibt: «Strebe nicht nach dem, was zu hoch ist für dich, und frage nicht nach dem, was deine Kraft übersteigt (...) Dir ist schon mehr gezeigt, als Menschenverstand fassen kann» (3, 22 25).