KNA: Herr Professor Strohschneider, Innenminister de Maiziere hat Sie als Gast zum ersten Plenum der Deutschen Islam-Konferenz geladen. Wofür wollen Sie dort werben?
Strohschneider: Ich will mit Blick auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zwei Dinge deutlich machen: Zum einen kommt es auf eine Etablierung theologisch arbeitender islamischer Studien an den staatlichen deutschen Universitäten an. Und mit islamischer Theologie ist mehr gemeint als allein eine Religionspädagogik des Islam. Der zweite Punkt ist, dass der Islam selbst - insofern er ein Glaube von Mitgliedern unserer Gesellschaft ist - angewiesen ist auf eine wissenschaftliche Selbstreflexion, die ihrerseits in den Traditionen europäischer Rationalität steht.
KNA: Wie wollen Sie das angesichts der Vielfalt von Verbänden in der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland erreichen? Das ist ja keine verfasste Religionsgemeinschaft.
Strohschneider: Die Bundesrepublik muss ein Rechtsinstrument finden, in dem die verfassungsförmig möglichen Mitwirkungsrechte organisiert werden können, ohne dass der Islam unter einen Verkirchlichungszwang gesetzt wird.
KNA: Dann gibt es irgendwann konkurrierende schiitische, sunnitische oder alevitische Lehrstühle oder Fakultäten...
Strohschneider: Nein, man muss das auch so organisieren, dass der Islam nicht unter einen Konfessionalisierungszwang gesetzt wird.
Schiitismus und Sunnitismus verhalten sich nicht wie christliche Konfessionen zueinander. Das liegt am Bekenntnis-, am Kirchen- und am Amtsbegriff. Was wir vorgeschlagen haben, ist ein Anstoß für einen Prozess, den man dann entfalten muss. Es kann dann aber nicht unsere Sache sein, konkret zu definieren, wie eine islamische Theologie aussehen kann, wie sie mit den unterschiedlichen Formen des Islam und seinen gemeindlichen Traditions- und Rechtsformen umgehen kann. Diese Aufgabe steht aber an. Und dafür haben wir einen institutionell-rechtlichen Ermöglichungsrahmen vorgeschlagen.
KNA: Die zweite Phase der Islam-Konferenz hat bis zum Ende der Legislaturperiode grob gesagt noch dreieinhalb Jahre. Ist in dieser Zeit diese Konzeptionierung, die Sie wünschen, zu erreichen?
Strohschneider: Das hängt von vielen, auch von lokalen Gegebenheiten ab. Wir plädieren ja mit unserem Beiratsmodell dafür, Universitäten in ein Verhältnis zu lokalen muslimischen Gemeinden zu setzen. Es geht nicht allein um die Länder- oder Bundesebene. Das ist auch mit dem Risiko behaftet, dass es hier und da zu Konflikten kommen kann, die Zeit kosten. Aber wenn Sie dieses Zeitmaß schon nennen: In dreieinhalb Jahren kann man an einem Punkt sein, wo die institutionalisierten Grundentscheidungen getroffen, Berufungsverfahren abgeschlossen, Studienordnungen erlassen sind.
Dann kann bereits an zwei oder drei Universitäten tatsächlich so etwas wie ein regulärer Lehr- und Forschungsbetrieb stattfinden. Das halte ich für möglich - auch wegen der Nachdrücklichkeit, mit der einzelne Universitäten entsprechendes Interesse bekunden.
KNA: Ist diese Etablierung im akademischen Betrieb für die Ausformung des Islam in Deutschland existenziell notwendig?
Strohschneider: Sicher ist sie für den Islam wichtig. Aber sie ist auch für die deutsche Universitäts- und Wissenschaftslandschaft wichtig. Denn Wissenschaft hat die Aufgabe, die Welt, so wie sie ist, wissenschaftlich zu reflektieren. Und wenn es in gesellschaftlich besonders sensiblen und aufmerksamen Bereichen «blind spots» gibt, die die Wissenschaft gar nicht in den Blick bekommt, ist das schon ein Problem für die Wissensgesellschaft.
KNA: Was stellt eigentlich sicher, dass nicht angesichts sinkender Zahlen bei den Kirchenmitgliedern nach dem gleichen Muster verschiedene Konfessionen gemeinsam unter dem Dach einer Fakultät zusammengefasst werden?
Strohschneider: Dagegen gibt es keine Garantie. Es gibt ja in Mainz bereits das Beispiel eines Fachbereichs Theologie - aber nach wie vor mit zwei konfessionstheologisch organisierten Fakultäten. Letztlich sind das zwei konfessionell unterschiedliche Teilfakultäten unter einer gemeinsamen Form der universitären Organisation. Die härteste Sicherung, die die evangelische und die katholische Theologie gegen solche Erwägungen haben - die sich der Wissenschaftsrat übrigens nicht zu eigen gemacht hat -, wären die Konkordate und Staatskirchenverträge.
Interview: Christoph Strack
Der Vorsitzende des Wissenschaftsrats zur Islam-Theologie
"Diese Aufgabe steht an"
Am Montag tagt erstmals das Plenum der zweiten Deutschen Islam-Konferenz. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) hat dazu als Gastreferenten den Vorsitzenden des Wissenschaftsrats, Peter Strohschneider, geladen. Das Gremium plädierte im Januar für die deutlich stärkere Verankerung theologisch ausgerichteter islamischer Studien an deutschen Universitäten. Im Interview erläutert Strohschneider die Empfehlungen des Rates und plädiert für eine rasche Umsetzung in den nächsten Jahren.
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