Viele Fragen sind in NRW offen: Kann der selbsternannte «Vorsitzende der Arbeiterpartei» (Rüttgers über Rüttgers) seinen Triumph von 2005 wiederholen, als er die SPD in ihrem traditionellen Stammland besiegte? Oder schafft die SPD ein Comeback? Wie schneidet die schwarz-gelbe Landesregierung ab, die seit Monaten auch unter der Unbeliebtheit der schwarz-gelben Bundesregierung zu leiden hat? Schafft die Linke den Einzug in den NRW-Landtag und wird zum Zünglein an der Waage?
Rüttgers und Kraft Kopf an Kopf
Rüttgers ist stolz, «dass wir in NRW durch gemeinsame Anstrengungen von Gewerkschaften, Unternehmen, Kirchen und Politik trotz Wirtschaftskrise 225 000 Arbeitslose weniger haben als vor der Krise». Kraft dagegen rügt die Bilanz der Regierung Rüttgers. Sie will die Gemeinschaftsschule einführen, Studiengebühren abschaffen und «das Land verantwortlich regieren». Am 26. April treffen die Kontrahenten in einem TV-Duell im WDR aufeinander. In Umfragen liegen Rüttgers und Kraft Kopf an Kopf.
Im Westen ist nichts klar und vieles möglich. Weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün kommen bei den Meinungsforschern auf eine Mehrheit. Sollten CDU und FDP in NRW verlieren, wäre auch die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat weg. Das bevölkerungsreichste Bundesland verfügt in der Länderkammer über sechs Stimmen.
Folgen für den Bundesrat
Bei einer Niederlage in NRW müssten sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) eine beinahe absurde strategische Niederlage eingestehen: Sie hätten dann keine Mehrheit mehr im Bundesrat für angekündigte Reformen bei Steuern und Gesundheit, die nicht zuletzt gerade wegen der NRW-Wahl aufgeschoben worden waren. Nach dem Fehlstart von Schwarz-Gelb im Bund würde wohl nicht nur eine Führungsdebatte ausbrechen, sondern auch eine Diskussion über die Frage, ob Union und Liberale die Zeit seit der Bundestagswahl im Herbst 2009 nicht für eine aktive Reformpolitik hätten nutzen sollen - statt den 9. Mai abzuwarten.
Für hitzigen Parteienstreit in NRW sorgen seit Monaten bereits die Spekulationen über die künftige Koalition. Auffällig ist dabei, dass Rüttgers und seine SPD-Herausforderin Kraft direkte persönliche Attacken aufeinander in der Regel vermeiden. Falls es am Wahlabend ein Patt am Rhein geben sollte, könnten Rüttgers und Kraft aufeinander angewiesen sein, um das Land stabil zu regieren.
Schwarz-Grün mag kaum jemand
Schwarz-Grün ist ebenso denkbar, wobei die Grünen den bedingungslosen Atomausstieg zur Voraussetzung für eine Zusammenarbeit mit den Christdemokraten erklären. An der teils sehr linken NRW-Grünenbasis ist Rüttgers wegen seiner abfälligen Äußerungen über Rumänen im vergangenen Kommunalwahlkampf und wegen der Sponsoring-Affäre unbeliebt. Rüttgers wiederum verschärfte in den vergangenen Wochen seine Attacken auf die Grünen. In zahlreichen Kommunen gibt es indes seit Jahren gut funktionierende schwarz-grüne Bündnisse. Wunschpartner der Grünen aber ist die SPD.
Die Linkspartei hat sich bei SPD und Grünen mit ihrem radikalem Wahlprogramm (30-Stunden-Woche, Verstaatlichungen, Legalisierung weicher Drogen) keine Freunde gemacht. Direkt nach der Landtagswahl scheint ein Bündnis unwahrscheinlich, falls die Linke überhaupt den Sprung in den Landtag des 18-Millionen-Einwohner-Landes schafft. Mittelfristig aber könnte sich eine politische Zusammenarbeit entwickeln. Falls es eine Mitte-Links-Mehrheit im Landtag gibt, dürfte sie auch irgendwann genutzt werden.
Am 9. Mai könnte nicht zum ersten Mal eine NRW-Landtagswahl weitreichende Folgen für die Bundespolitik haben. 2005 hatte die Niederlage von Rot-Grün in Düsseldorf das Ende von Rot-Grün im Bund eingeleitet. 2010 setzen Sozialdemokraten und Grüne auf umgekehrte Signale, während Schwarz-Gelb um den Machterhalt kämpft.
Landtagswahl in NRW laut Umfragen völlig offen
Spannung vor der Wahl an Rhein und Ruhr
Seit Tagen lächeln die Spitzenkandidaten bereits um die Wette auf den Wahlplakaten an Rhein und Ruhr: Die CDU wirbt für Landeschef Jürgen Rüttgers mit dem Slogan "Unser Ministerpräsident". Die SPD mit ihrer Landesvorsitzenden Hannelore Kraft will "Freude" machen auf einen Wechsel bei der Landtagswahl am 9. Mai in Nordrhein-Westfalen. Wohl selten hat die Wahl eines Länderparlaments derart über Monate auf die bundespolitische Debatte abgefärbt. Die Republik blickt gespannt auf den Wahlausgang in einem Monat.
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