Altkanzler Helmut Kohl wird 80 Jahre alt - Eine Würdigung

Staatsmann und Parteipatriarch

Ob ihm das Lob seines Vorgängers mundet? "'89 - das war eine Glanzleistung", urteilt Altkanzler Helmut Schmidt (91) über seinen Nachfolger Helmut Kohl, der am 3. April 80 Jahre alt wird. "Mut und Intuition" habe der christdemokratische Regierungschef bewiesen, als es darum ging, die Weichen für die deutsche Wiedervereinigung zu stellen. Schmidt: "Er hat seine Sache erstklassig gemacht. Großes Lob von meiner Seite."

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epd
 (DR)

Zum 80. Geburtstag von Kohl, der gesundheitlich seit einiger Zeit angeschlagen ist, gibt es eine Fülle von Rückblicken und Würdigungen. Weggefährten und Widersacher kommen zu Wort. «Die geniale Tat von Helmut Kohl besteht im harmonischen Zusammenfügen dessen, was zwangsläufig kommen musste - die deutsche Einheit -, und dem, was notwendig war - nämlich die europäische Einigung.» Auf diese Formel bringt der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker, der demnächst auf eine ebenso lange Amtszeit zurückblicken kann wie Kohl, dessen historische Leistung.

Aus gesundheitlichen Gründen wurde auf Wunsch Kohls die Geburtstagsfeier von Berlin in seine Heimatstadt Ludwigshafen verlegt. Für den 5. Mai ist ein gemeinsamer Empfang der Stadt und des Landes Rheinland-Pfalz, dessen Ministerpräsident Kohl von 1969 bis 1976 war, geplant.

In der pfälzischen Industriestadt, in der er die Irrungen und Wirrungen der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs erlebte, ist Kohl bis heute fest verwurzelt. Dort wurde er politisch sozialisiert, knüpfte er politische Kontakte. Von besonderem Einfluss war neben dem konservativen Elternhaus das katholische Pfarrhaus in Limburgerhof mit Dekan Johannes Finck. In dessen «Sonntagsschule», so schildert Kohl in seinen Erinnerungen, erhielt er sein politisches Rüstzeug.
Rasch nach 1945 schließt er sich der CDU an.

«Helmut Kohl ist in die CDU nicht aus Freude an Gesprächen eingetreten. Er wollte etwas erreichen, und er hatte das Zeug dazu», attestierte ihm Bundespräsident Horst Köhler. Kohl studiert Geschichte und Staatswissenschaften in Heidelberg und ist anschließend kurze Zeit in der Industrie tätig. Mit 29 Jahren wird er in den Mainzer Landtag gewählt und macht fortan der alten Garde der CDU das Leben schwer.

Schon als Mainzer Ministerpräsident schart Kohl eine junge Mannschaft um sich, zu der exzellente Köpfe wie Heiner Geißler, Bernhard Vogel und Roman Herzog gehören. Und er fördert politische Talente wie Richard von Weizsäcker und Kurt Biedenkopf, der später den Umbau der CDU vom Honoratiorenverein zur modernen Partei einleitet. Auch der Kanzler Kohl rekrutiert Talente für seine Regierungsmannschaft - auch wenn sich die Wege später wieder trennen wie im Fall von Rita Süssmuth.

Mit der Lebensleistung des Christdemokraten Kohl verbunden sind wichtige Etappen auf dem Weg zur europäischen Einigung und zur Wiedervereinigung. Die deutsch-französische Achse, personalisiert in so verschiedenen Charakteren wie Kohl und François Mitterrand, vermochte manches Stottern in der EU-Integration zu überwinden. «Ohne den Pfälzer hätte es den Euro nicht gegeben», attestierte ihm der Saarländer und ehemalige SPD-Chef Oskar Lafontaine.

Den Höhepunkt seiner langen politischen Laufbahn markierte die wieder gewonnene deutsche Einheit. «In wenigen Stunden wird ein Traum Wirklichkeit», sagte er in seiner Ansprache am 3. Oktober 1990. Und dabei versäumte es Kohl nicht, den Wegbereitern der friedlichen Revolution in Polen, Ungarn und der einstigen Tschechoslowakei zu danken. Im Wissen um den Argwohn, mit dem die Nachbarn aus Sorge um neuen Nationalismus das gewachsene Gewicht der Deutschen beobachteten, versprach er gute Nachbarschaft nach innen wie nach außen.

Wenn auch die Meriten des Staatsmanns in der Europa- und Deutschlandpolitik unstrittig sind, so ist der Innenpolitiker und Parteimann umstritten. Regierungschef war er 16 Jahre, und mehr als 25 Jahre stand er an der Spitze der CDU. Bei seiner ersten Wahl zum Bundeskanzler 1982 wurde er als Provinzpolitiker verspottet. Doch Kohl regierte länger als jeder seiner Vorgänger.

Rund 30 Ehrendoktorhüte hat Kohl gesammelt, er ist der erste Ehrenbürger Europas. Den Ehrenvorsitz der CDU musste der Parteipatriarch abgeben, weil er in der Parteispendenaffäre mit Hinweis auf sein Ehrenwort die Namen von Millionen-Spendern nicht preisgeben wollte.