Vor 50 Jahren starteten in Deutschland die ersten Ostermärsche

"Drei Tage Marsch bei Kälte und vielen Anfeindungen"

Als sich die ersten Ostermarschierer in Deutschland auf den Weg machten, schlug ihnen ein kalter Wind entgegen. Über 1.000 Atomkriegsgegner aus Braunschweig, Bremen, Hamburg, Hannover und Lüneburg marschierten während der Ostertage 1960 von Hamburg aus zum Raketenübungsplatz Bergen-Hohne in der Lüneburger Heide. "Drei Tage Marsch bei Kälte und Schnee und vielen Anfeindungen", erinnert sich einer der Veranstalter, der 81-jährige Politikwissenschaftler Andreas Buro.

Autor/in:
Andreas Rehnolt
 (DR)

Mit dieser Aktion vor 50 Jahren entstand auch in Westdeutschland nach dem Vorbild der englischen Atomkriegsgegner die Ostermarsch-Bewegung als neue Kampfform gegen die Atomaufrüstung. Mitten im Kalten Krieg wurden die Friedensdemonstranten zunächst von links wie von rechts mit Häme und Spott überschüttet, wie Buro berichtet. «Naive Sektierer und idealistische Spinner waren noch die freundlichste Bezeichnung».

Bereits beim ersten Marsch gegen Wiederbewaffnung und Atomwaffen erhielten die Friedensaktivisten auch Unterstützung von Kirchengemeinden. «Aus Braunschweig standen wir zu 24 zwischen zwei Stützpfeilern der Kirche, deren Pfarrer uns mit bewegenden Worten in die kalte und neblige Landschaft hinausschickte», erinnert sich Buro.

Die Forderung nach Frieden und Abrüstung ist heute noch so aktuell wie vor einem halben Jahrhundert. Wenn in diesem Jahr an Karfreitag erneut in zahlreichen Städten in West- und Ostdeutschland die Ostermärsche stattfinden, dann steht auf den Fahnen und Transparenten der Demonstranten immer noch auch die Forderung «Atomwaffen abschaffen». Zentrale Forderung im 50. Jahr der Ostermärsche ist zudem die Beendigung des Afghanistan-Kriegs, wie Felix Oekentorp vom Komitee Ostermarsch-Ruhr erklärt.

Die Ostermärsche in Deutschland hatten einen Vorläufer in Großbritannien. Dort brachen im April 1958 Friedensaktivisten von London zum 80 Kilometer entfernten Atomforschungszentrum Aldermaston auf, um auf die Gefahren der Atomkraft hinzuweisen.

Nach Angaben der bundesweiten Informationsstelle Ostermarsch in Bonn hat sich die Bewegung in den sechziger Jahren von einer zunächst ethisch-pazifistisch motivierten zu einer gegen die atomare Aufrüstung in West und Ost entwickelt. Auch an Rhein und Ruhr gingen die Ostermarschierer schon in den 60er Jahren auf die Straße. «Aus den Kirchen, den Gewerkschaften, den Friedensorganisationen und aus den Parteien hatten wir uns zusammengefunden», heißt es im Aufruf zur diesjährigen Motorrad-Friedensfahrt in Köln.

In dieser Zeit stieg die Zahl der Ostermarschierer von rund 1.000 Teilnehmern im Jahr 1960 auf rund 300.000 im Jahr 1968 an. «Die Ostermarschbewegung hat mit zum politischen Klimawechsel in der Bundesrepublik beigetragen», erklärte ein Sprecher des Kasseler Friedensforums.

Aktionen des gewaltfreien Widerstandes und des zivilen Ungehorsams wurden bei den frühen Ostermärschen erprobt und schufen so auch Voraussetzungen für die späteren Bürgerinitiativen. Ostermarschierer protestierten in diesen Jahren gegen die Notstandsgesetze, gegen den Vietnamkrieg und gegen die Stationierung neuer Atomraketen vom Typ Pershing II und Cruise Missile in Deutschland.

Nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Fall der Mauer wurde es vorübergehend still um die Ostermarschbewegung. «Viele hofften damals auf eine friedlichere Welt und ein Ende der Atomkriegsgefahr, doch die Hoffnung hat sich nicht erfüllt», erzählt der Gewerkschafter Karl-Heinz Menten aus Düsseldorf. Neue Aufrüstung, neue Konflikte und neue Kriege bestimmen heute immer noch die internationale Politik.

Ob Mahnwache, Schweigemarsch, Gottesdienst, Gedenkfeier, Fahrradkorso, Menschenkette oder Demonstration, allen Aktionen rund um die Ostertage Anfang April ist eines gemeinsam: Abschaffung der Atomwaffen, Beendigung des Afghanistan-Kriegs, Abrüstung und ein Stopp des Sozialabbaus. Mit dabei in den Ostermärschen - nicht nur an Rhein und Ruhr - sind damals wie heute kirchliche Friedensgruppen, Pfarrer und Jugendgruppen der Gemeinden. Auf den Flugblättern der Ostermarschierer für die diesjährigen Aktionen heißt es unter anderem: «50 Jahre Ostermarsch - Er wird weiter gebraucht.»

Bei den Märschen zwischen Karfreitag und Ostermontag sind auch einige der Friedensaktivisten von damals mit dabei. «Es gibt keinen Anlass, nicht mehr für Frieden und Abrüstung auf die Straße zu gehen», erklärt der 69 Jahre alte Pascal Rudolf aus Köln, der schon 1965 zu den Ostermarschierern gehörte und seitdem jedes Jahr dabei war.