El Salvador tut sich schwer mit der Aufklärung des Mordes an Oscar Romero

Der unbequeme Erzbischof

Die Warteschlange vor der Krypta der Kathedrale in San Salvador ist bis heute zuverlässiger Gradmesser seiner Beliebtheit. Erzbischof Oscar Romero, der vor 30 Jahren ermordet wurde, galt als "Stimme derjenigen ohne Stimme". Tag für Tag kommen auch heute noch Hunderte Gläubige in die Krypta, wo seine Gebeine ruhen. Ein Scharfschütze erschoss Romero am 24. März 1980 während der Messe. Der Erzbischof hatte am Tag zuvor die damalige Militärdiktatur kritisiert.

Autor/in:
Matthias Knecht
 (DR)

Der Mord erregte weltweit Aufsehen und Entsetzen und markierte den Beginn des Bürgerkrieges im mittelamerikanischen Land. Bis 1992 kamen dabei mehr als 75.000 Menschen ums Leben. Die Justiz El Salvadors hat den Fall bisher nicht aufgeklärt und mehrere Rügen der Interamerikanischen Menschenrechtskommission dafür kassiert.

Es sind nicht nur Katholiken, die Romero verehren, sondern auch Protestanten, wie Medardo Gómez, Bischof der lutherischen Kirche El Salvadors: «Wir erkennen Monseñor Romero als Propheten und Märtyrer an», betont Gómez. «Denn er gab sein Leben für die Armen und die Benachteiligten.»

Seit Juni regiert in El Salvador erstmals eine linke Regierung.
Anders als in früheren Jahren wird deshalb am kommenden Mittwoch auch die Staatsspitze des unbequemen Erzbischofs gedenken. Präsident Mauricio Funes erklärte den 24. März zum nationalen Feiertag, der mit Konzerten und einer Sonderbriefmarke begangen wird. Zudem soll ein Wandgemälde am Flughafen an Romero erinnern.

Neu ist auch, dass die Regierung die Verantwortung des Staates für den Mord einräumt: Funes kündigte an, am Todestag öffentlich um Vergebung zu bitten. Bereits bei seiner Amtsübernahme ließ der Präsident aufhorchen, als er eine Regierung im Geiste des Ermordeten versprach und ihn als seinen «spirituellen Führer» bezeichnete. Den Ankündigungen folgten Taten. Behandlungen in staatlichen Krankenhäuser sind inzwischen kostenlos und Rentner erhalten eine Mindestpension von 50 US-Dollar monatlich. In El Salvador, wo 35 Prozent der sieben Millionen Einwohner arm sind, ist das viel.

Umfragen zufolge ist Funes der beliebteste Präsident Lateinamerikas. Doch mit der Aufklärung des Romero-Mordes und weiterer Verbrechen des Bürgerkriegs tut auch er sich schwer. Die Täter kommen laut einem UN-Bericht aus dem Umfeld der Armee und der bis 2009 regierenden Rechtspartei ARENA. Beide Institutionen sind heute noch mächtig. Zudem wird befürchtet, dass eine Aufarbeitung alte Wunden aufreißen könnte.

Haupthindernis für die Aufklärung ist aber die Generalamnestie, die ARENA nach Ende des Bürgerkrieges 1992 durchpeitschte. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission forderte deren Aufhebung zuletzt im November. Daraufhin teilte Funes mit, dies sei Sache des Parlaments - und unternahm weiter nichts. Gleichzeitig band er jene, die laut eine Aufklärung des Romero-Mordes forderten, in seine Regierungsmannschaft ein und brachte sie so zum Schweigen.

Zu ihnen gehören der frühere Romero-Schüler Edín Martínez, langjähriger Leiter der Romero-Stiftung, sowie der Menschenrechtsanwalt David Morales, ehemaliger Rechtsberater des Erzbistums. Beide arbeiten jetzt in Ministerien und stehen für Stellungnahmen nicht zur Verfügung, ebenso wie die Staatsanwaltschaft, die einen ausführlichen Bericht für den 24. März angekündigt hat.

Auch der Vatikan tut sich schwer mit dem Fall des volksnahen Paters, einem der Wortführer der Befreiungstheologie. Ein Verfahren zu seiner Seligsprechung dümpelt seit 1996 vor sich hin. «Es ist zum Stillstand gekommen», kritisiert der lutherische Bischof Gómez und fügt hinzu: «Sie hoffen wohl darauf, dass die Generation, die Romero noch kannte, ausstirbt».

Die Menschen in El Salvador kümmert das Zögern des Vatikans wenig. Sie verehren Romero schon lange als Heiligen. Sein Bild hängt in zahlreichen Kirchen und Häusern des verarmten Landes. Und die Schlangen vor der Krypta der Kathedrale wird am Mittwoch besonders lang sein.