Die Nikolaikirche wird mit einer neuen Dauerausstellung wiedereröffnet

Der verlängerte Ratssaal

Aus der Stadt Berlin und ihrer Geschichte ist die Nikolaikirche nicht wegzudenken: Über Jahrhunderte hinweg waren hier Kirche und Politik eng miteinander verflochten. Nach zweijähriger Sanierung wurde das Gotteshaus nun mit einer neuen Dauerausstellung wiedereröffnet.

Autor/in:
Barbara Schneider
 (DR)

Die Ursprünge der Kirche gehen in das 13. Jahrhundert zurück. Um 1230 begann der Bau der spätromanischen Feldsteinbasilika, die schon ein halbes Jahrhundert nach Fertigstellung zur frühgotischen Hallenkirche umgebaut wurde. "Fakt ist, die Nikolaikirche ist die älteste Kirche Berlins", sagt Kurator Albrecht Henkys. Anliegen der Ausstellung "Vom Stadtgrund bis zur Doppelspitze" sei es daher, die Nikolaikirche in ihren wichtigsten Funktionen im Wandel der Kirchengeschichte darzustellen.

Vor allem als Repräsentationsort kam der Kirche in der Geschichte eine wichtige Rolle zu. Als "verlängerten Ratssaal" beschreibt Henkys den Sakralbau daher auch. Die Bedeutung für die Stadt lässt sich an den historischen Ereignissen ermessen, die in der Kirche stattfanden: 1809 wurde hier beispielsweise die erste Stadtverordnetenversammlung vereidigt. 1991 traf das erste frei gewählte Berliner Abgeordnetenhaus in der Nikolaikirche zusammen.

Nazis planten "historisches Disneyland"
Und auch zu DDR-Zeiten war man sich der Bedeutung des Kirchbaus bewusst und baute die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Kirche zur 750-Jahr-Feier der Stadt 1987 als Museum wieder auf. Wie auch das gesamte Nikolaiviertel in dieser Zeit als Patchwork aus Historischem und Authentischem gestaltet wurde. Bereits die Nationalsozialisten hätten geplant, das Viertel als "historisches Disneyland" umzugestalten, erzählt Henkys. Nur bis 1939 wurden in der Kirche Gottesdienste gefeiert.

Lange zuvor nutzte die Berliner Bürgerschaft den Kirchraum neben dem Gottesdienst vor allem auch als Begräbnisstätte. Für ihre Familiendynastien richteten sie in dem Bauwerk - wie für Stadtpfarrkirchen damals nicht unüblich - teils monumentale Erbbegräbnisstätten ein. "Pantheon der Geschlechter" nennt Henkys diese Funktion der Kirche. 1819 fand die letzte Bestattung im Kircheninneren statt.

Die für knapp eine Million Euro neu konzipierte Ausstellung zeichnet diese und andere Details der Kirchengeschichte in sieben Themeninseln nach: Auf Leder gedruckt lassen sich Paul Gerhardts Gedichte und Lieder nachlesen. Filmausschnitte führen das Ausmaß der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg vor Augen. In der ganzen Hallenkirche sind Multimedia-Stationen mit Touchscreens aufgestellt. Und auf der Empore wurde eine Lounge mit Hörstationen und Leseplätzen eingerichtet.

Herausragende Exponate
Ergänzt werden die Themeninseln durch herausragende Exponate: Das Planungsmodell des Magistrats von Ost-Berlin zur Umgestaltung des Nikolaiviertels aus den 80er Jahren ist zu sehen, aber auch zahlreiches liturgisches Gerät. Ein besonderes Highlight ist die sogenannte Beyersche Gruft. Darin wird nun ein einzigartiger Münzschatz gezeigt, den die Berliner Bürger zwischen 1514 und 1734 für den Turmknauf zusammengetragen hatten.

Die Ausstellung will aber auch nach vorn schauen. So haben Studenten der Europäischen Ethnologie an der Humboldt-Universität zahlreiche Berliner unterschiedlicher Nationalität und Religion zu ihren individuellen Glaubenserfahrungen und Weltansichten befragt. Die Ergebnisse lassen sich in einzelnen Schubkästen betrachten und erfahren - als Tondokumente, in Texten und Bildern. In einer Schublade ist ein Spiegel eingebaut, so dass sich der Ausstellungsbesucher schließlich selbst in der Tradition und Geschichte der Kirche wiederfindet.