Der Runde Tisch

Ein Möbelstück mit Geschichte

Der Runde Tisch ist ein Wundermöbel: Immer wenn ein umstrittenes Thema in der Öffentlichkeit hochkocht, bleibt der Ruf nach dem Möbelstück ohne Ecken und Kanten nicht aus.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Runde Tische gibt es mittlerweile in nicht mehr überschaubarer Zahl: Sie sollen bei Problemen im Stadtteil versöhnen, sie dienen der Verständigung der Weltreligionen und bei der Suche nach besseren Bedingungen in der Pflege. Beim 2009 vom Bundestag eingesetzten Runden Tisch Heimkinder arbeiten Kirchen, staatliche Heimträger und Vertreter der Heimkinder die Geschichte von Kinderheimen in der frühen Bundesrepublik auf. Am Montag hat Bundesfamilienministerin Kristina Schröder  (CDU) einen weiteren Runden Tisch gegen sexuellen Missbrauch von Kindern einberufen.

Der Runde Tisch ist ein legendäres Möbelstück: Laut Internet-Lexikon "Wikipedia" geht der Begriff unter anderem auf die sagenumwobene Tafelrunde am Hofe von König Artus zurück. Dort versammelten sich Artus und seine Ritter, um den Heiligen Gral zu verehren.

Der Runde Tisch ist ein Möbel mit Geschichte. Große Bedeutung hatte er bei den Verhandlungen der drei Siegermächte des Zweiten Weltkriegs: Während der Potsdamer Konferenz im Juli und August 1945 wurde die Große Halle im Schloss Cecilienhof als Konferenzsaal umfunktioniert. Der Runde Tisch mit einem Durchmesser von 3,05 Metern wurde eigens von der Moskauer Möbelfirma Lux hergestellt. An ihm lieferten sich US-Präsident Harry S. Truman, die britischen Premierminister Winston Churchill und - nach dessen Abwahl - Clement Attlee sowie der sowjetische Diktator Josef Stalin mit ihren Delegationen harte Verhandlungen.

Auflösung des kommunistischen Ostblocks
In das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit kamen die Runden Tische aber bei der Auflösung des kommunistischen Ostblocks. Zwischen Februar und September 1989 leistete solch ein Möbelstück gute Dienste beim Übergang vom sozialistischen Staat zur demokratischen Republik. Teilnehmer des Runden Tisches waren Vertreter der regierenden Arbeiterpartei, der oppositionellen Gewerkschaft Solidarnosc, der katholischen Kirche und anderer Gruppen. Der wirklich runde Tisch hatte einen Durchmesser von neun Metern und bot 57 Personen Platz

Nach diesem Beispiel wurde am 7. Dezember 1989 auch in Ost-Berlin ein zentraler Runder Tisch einberufen, an dem Vertreter von DDR-Regierung und staatsnahen Organisationen mit den Repräsentanten von zunächst sieben Oppositionsgruppierungen zusammensaßen. Sie verhandelten über freie Wahlen, eine neue Verfassung und die Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Die auch in den Bezirken, Kreisen und großen Städten gegründeten Runden Tische übernahmen während der friedlichen Revolution der DDR legislative und exekutive Aufgaben wahr, obwohl sie nicht durch demokratische Wahlen beauftragt worden waren. Allerdings: Der zentrale Runde Tisch war mitnichten rund - es handelte sich vielmehr um ein aus einfachen Tischen zusammengeschobenes Rechteck.

Der Runde Tisch ist ein bestechend einfaches Symbol. Er bietet für viele Platz. Keiner muss an einer unbequemen Ecke sitzen. Von jedem Platz aus kann alles überblickt und mit jedem Teilnehmer direkter Blickkontakt aufgenommen werden. Und alle sind gleich, denn es gibt keinen Vorsitz und kein Podium. Damit steht der Runde Tisch für die gleichberechtigte Teilhabe der Beteiligten, die im Dialog eine von allen Seiten getragene Lösung finden.

Allerdings gibt es auch deutliche Kritik am Mythos des Möbelstücks.
"Runde Tische dienen der Auflösung der Verantwortlichkeit. Andere sollen die Verantwortung übernehmen und damit die Entscheidung", kommentierte der Jesuit Bernd Hagenkord in Radio Vatikan die Debatte um einen Runden Tisch zur Aufklärung der Missbrauchsfälle in deutschen Schulen. "Runde Tische drehen sich um sich selbst. Statt eines Verantwortlichen stünden dann Opfer von Missbrauch vor einem Gremium, wo jeder andere Interessen vertritt."