Buch erinnert an den Einsturz des Kölner Stadtarchivs

Eine Katastrophe nationalen Ausmaßes

Am 3. März 2009 stürzte um kurz vor zwei Uhr mittags das Historische Archiv der Stadt Köln ein. Das größte und bedeutendste Kommunalarchiv nördlich der Alpen lag in Trümmern - und die auf die Geschichte ihrer Stadt so stolzen Kölner fragten sich fassungslos, ob das Gedächtnis ihrer Stadt ausgelöscht sei?

Autor/in:
Christiane Neuhausen
 (DR)

An diese Katastrophe vor einem Jahr erinnert das Buch «Gedächtnisort. Das Historische Archiv der Stadt Köln», herausgegeben von Bettina Schmidt-Czaia, Leiterin des zerstörten Archivs, und Ulrich Soenius, Direktor und Vorstand der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln. Archivmitarbeiter und Wissenschaftler arbeiten die Katastrophe auf, ziehen Konsequenzen für die wissenschaftliche Arbeit und zeigen Möglichkeiten für die künftige Gestaltung des Archivs auf. Am Montagabend wurde das Buch der Öffentlichkeit im Kölner «Domforum» vorgestellt.

Der Kölner Kulturdezernent Georg Quander freute sich mitteilen zu können, dass auch das Erzbistum Köln der in den nächsten Tagen zu gründenden Stiftung «Stadt-Gedächtnis» beitritt und einen nennenswerten Betrag beisteuert. Mit Hilfe dieser Stiftung will man dieses «Unglück nationalen Ausmaßes», so Quander, versuchen zu bewältigen. Er erinnerte daran, dass durch eine rechtzeitige Auslagerung der Bestände im Zweiten Weltkrieg der Schaden ausblieb, den das Archiv mitten im Frieden ereilte. 85 Prozent des Archivguts ist geborgen, aber noch nicht gerettet und auf 19 «Asylarchive» zwischen Flensburg und Freiburg verteilt. Selbst bei optimistischer Schätzung beträgt der Schaden mehrere 100 Millionen Euro, und es wird 30 Jahre dauern, bis alles restauriert und wieder zusammengeführt sein wird, so der Kulturdezernent.

Dann könnte die Vorstellung Schmidt-Czaias für ein Archiv für alle Kölner Bürger Wirklichkeit werden. Die Idee war schon vor dem Einsturz in Entwicklung, um das bis dahin in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommene Einrichtung stärker im Bewusstsein der Stadt und seiner Bürger zu verankern. Dieses Bürgerarchiv soll bereits jetzt in der provisorischen Dienstelle mit den ersten Ausstellungen zum Fortlauf der Arbeiten umgesetzt werden. Schmidt-Czaia wünscht sich jedenfalls, dass die Diskussionen, die in der Stadt geführt werden, ihren Spiegel im Archivmaterial und begleitenden Ausstellungen finden.

Eine Frage ist damit aber noch nicht ausgeräumt: Hat die Stadt Köln durch den Archiveinsturz ihr Gedächtnis verloren? Nein, ist Soenius überzeugt. Denn keine andere Stadt habe mehr Archive als Köln, nämlich 40 an der Zahl, wenngleich das Stadtarchiv das bedeutendste war. Schmidt-Czaia jedenfalls gibt in dem vorgestellten Buch für den Neubau der Hoffnung Ausdruck, dass Köln «im Jahr 2015 eines der sichersten und modernsten Kommunalarchive in ganz Europa» haben wird. Bis dahin ist es allerdings noch ein langer Weg.

Hinweis: Gedächtnisort. Das Historische Archiv der Stadt Köln, herausgegeben von Bettina Schmidt-Czaia und Ulrich S. Soenius, Böhlau-Verlag, Köln 2010, 19,90 Euro. Der Böhlau-Verlag spendet dem Historischen Archiv für jedes verkaufte Buch 2 Euro für den Wiederaufbau.