Käßmann-Rücktritt: Katholiken verlieren schwieriges Gegenüber

Das Ende einer besonderen Beziehung

Bedauern und Mitgefühl für Margot Käßmann drückten die deutschen katholischen Bischöfe in Freiburg aus. Erzbischof Robert Zollitsch nimmt Käßmann gar in seine Gebete auf. Dennoch war die Bischöfin ein nicht ganz einfaches Gegenüber für die Oberhirten. Eine Betrachtung von KNA-Cheredakteur Ludwig Ring-Eifel.

In vielen, aber nicht allen Dingen einig: Margot Käßmann und Erzbischof Zollitsch (KNA)
In vielen, aber nicht allen Dingen einig: Margot Käßmann und Erzbischof Zollitsch / ( KNA )

Fast zeitgleich traten am Mittwochnachmittag die beiden obersten Repräsentanten der evangelischen und der katholischen Kirche in Deutschland vor die Fernsehkameras. Knapp eine halbe Stunde, nachdem in Hannover Margot Käßmann ihren Rücktritt von allen bischöflichen Ämtern bekanntgegeben hatte, bekundete in Freiburg am Rande der Vollversammlung der katholischen Bischöfe deren Vorsitzender, Erzbischof Robert Zollitsch, der scheidenden Ratsvorsitzenden seine persönliche Nähe in dieser schwierigen Situation.

Der Zufall wollte es, dass die sich zuspitzende Krise um Käßmanns Alkoholfahrt zeitlich zusammenfiel mit der Debatte um die Aufarbeitung der sexuellen Missbrauchsfälle, die seit Wochen die katholische Kirche beschäftigen. So kam es, dass die wechselseitigen Angriffe von Zollitsch und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) in den Schlagzeilen wetteiferten mit der Berichterstattung aus Hannover, wo es trotz mancher Solidaritätsadresse evangelischer Mitstreiter stündlich enger wurde für die erste Frau an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Jenseits der Mikrofone und Kameras machten katholische Bischöfe auch früher schon keinen Hehl daraus, dass sie die Ratsvorsitzende für ein nicht ganz einfaches Gegenüber hielten. Es machte ihnen zu schaffen, wie Käßmann es mit wenigen, einfachen Worten und einem natürlich wirkenden Auftreten schaffte, in den Medien Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und bei unzähligen, auch kirchenfernen Menschen Sympathie zu gewinnen. Nicht ohne Sorge wurde beobachtet, wie sie zuletzt mit ihrer viel diskutierten Afghanistanpredigt die gesellschaftliche und politische Debatte zu dominieren vermochte.

Authentisch wahrgenommene Biographie
Da war es ein geringer Trost, dass Leute vom Fach in Käßmanns Einlassungen mitunter den theologischen Tiefgang vermissten oder dass Kommentatoren ihr Populismus und widersprüchliche Argumente nachweisen konnten. Trotz dieser Mängel fanden sich viele Menschen wider in dem, was sie sagte und wie sie es sagte. Hinzu kam die Ausstrahlung einer durch Scheidung und Krebstherapie als besonders authentisch wahrgenommenen Biographie.

Für den bedächtig argumentierenden Erzbischof Zollitsch war es schwer, ihrem geschmeidigen und populären Auftreten etwas Medienwirksames entgegenzusetzen. Als Käßmann vor einigen Wochen sagte, sie erwarte von Papst Benedikt XVI. in der Ökumene «nichts», war es der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper, der diese Äußerung scharf kritisierte. Eine Begegnung der EKD-Ratsvorsitzenden mit Benedikt XVI. zu arrangieren, wäre nach diesem Schlagabtausch zwischen Hannover und Rom eine echte Herausforderung für die Ökumene-Diplomaten beider Seiten geworden.

Dass ein geschwisterlich-ökumenisches Herangehen an die 2017 anstehenden 500-Jahr-Feiern der Reformation unter Käßmann vergleichsweise schwierig gewesen wäre, liegt ebenfalls auf der Hand. Die unbekümmerte evangelische Selbstvergewisserung als «Kirche der Freiheit» lag ihr jedenfalls erkennbar näher als der von katholischer Seite gewünschte kirchenhistorische Blick auf diese Kirchenspaltung, deren theologische Bedeutung bis heute weder von katholischen noch von protestantischen Gelehrten überzeugend auf den Begriff gebracht werden konnte.

Erzbischof Zollitsch bedauerte den plötzlichen Rücktritt von Bischöfin Käßmann aufrichtig. Darin schwingt wohl auch die Erkenntnis mit, dass die katholischen Bischöfe von diesem Gegenüber trotz mancher Schwäche einiges lernen konnten und dass ihnen genau dies nun fehlen wird.