Ukrainischer Machtwechsel von religiösen Spannungen überschattet

Streit um Segen

Seine große Frömmigkeit will der neue ukrainische Staatspräsident Viktor Janukowitsch schon bei der Amtseinführung zeigen. Demonstrativ beginnt der Machtwechsel an diesem Donnerstag im berühmten Kiewer Höhlenkloster: Dort soll der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. Janukowitsch segnen, noch bevor der neue Präsident im Parlament den Amtseid schwört.

Autor/in:
Oliver Hinz
Kyrill I.: Seit 2009 der Moskauer Patriarch (epd)
Kyrill I.: Seit 2009 der Moskauer Patriarch / ( epd )

Doch gegen diese Schlüsselrolle des russischen Kirchenoberhaupts protestieren andere orthodoxe Kirchen und Nationalisten. Der Umgang mit Russland ist in der Ukraine umstritten, seit das Land 1991 unabhängig wurde. Wegen des Streits spaltete sich in dem Land sogar die orthodoxe Kirche. Seit 1992 gibt es ein unabhängiges Kiewer Patriarchat, das jeden Einfluss Moskaus kritisiert. Zu dieser Kirche unter Patriarch Filaret bekennen sich ungefähr so viele Gläubige wie zur ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats.

Janukowitsch ist der erste ukrainische Präsident, der den Moskauer Patriarchen zur Amtseinführung einlädt. Die früheren Präsidenten beschränkten sich auf die Führer der ukrainischen Religionsgemeinschaften. Es sei eine große Ehre für das Land und das neue Staatsoberhaupt, dass Kyrill I. komme, betont nun Janukowitschs russlandfreundliche «Partei der Regionen».

Groß ist der Unmut über Kyrills I. Auftritt beim Kiewer Patriarchat. «Das ist eine Erniedrigung anderer Glaubensgemeinschaften», beschwerte sich dessen Sprecher, Bischof Jewstratij. Der Parlamentsabgeordnete Wjatscheslaw Kyrylenko warf Janukowitsch vor, religiöse Spannungen zu provozieren. Er dürfe sich nicht von ausländischen Kirchenoberhäuptern abhängig machen. Eine außerparlamentarische Nationalistengruppe kündigte eine Mahnwache gegen Kyrill I. an.

Janukowitsch betont seit längerem regelmäßig seinen orthodoxen Glauben. Er hält engen Kontakt zum Oberhaupt der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, Metropolit Wolodymyr von Kiew, und zu Kyrill I., den er im Sommer 2009 auf vielen Stationen seiner ersten Ukrainereise begleitete. Als seinen geistigen Vater bezeichnet er den vor einigen Jahren verstorbenen Mönch Zosima, der ihn vor mehr als 20 Jahren zu einem gläubigen Mann bekehrt habe. Als junger Mann hatte Janukowitsch wegen Raubes und Körperverletzung enige Zeit im Gefängnis gesessen.

Im Wahlkampf unterstrich der neue Präsident zugleich, die Ukraine sei ein «echter europäischer Staat mit einer hohen interkonfessionellen Toleranz». So unterstützte er als Gouverneur des ostukrainischen Bezirks Donezk den Bau einer griechisch-katholischen Kirche. Das war damals keine Selbstverständlichkeit, da die Expansion der mit Rom unierten Kirche bei orthodoxen Christen auf Vorbehalte stieß. Und zur Präsidentenvereidigung ist nicht nur der Moskauer Patriarch eingeladen, sondern auch der Vatikanbotschafter in Kiew, Erzbischof Ivan Jurkovic.

Der Kiewer Patriarch Filaret jedoch soll nicht eingeladen sein, verlautet aus dessen von Moskau unabhängiger Kirche. Die Patriarchen Filaret und Kyrill I. würden allerdings ohnehin nicht gemeinsam auftreten - Einladung hin oder her.