Goodluck Jonathan landet überraschend in Nigeria auf dem Präsidentensessel

Der ewige Kompromisskandidat

Die Antrittsrede war typisch für den Mann mit Hut, der sich seit Beginn der Regierungskrise Ende November in Nigeria stets im Hintergrund hielt. Am Dienstag trat Goodluck Jonathan, bisher Vizepräsident, ins Rampenlicht und übernahm die Position des amtierenden Staatschefs. In Demut, wie er bekannte.

Autor/in:
Marc Engelhardt
 (DR)

«Mehr als je zuvor bitte ich alle gottesfürchtigen Nigerianer, für die vollständige Erholung und baldige Rückkehr unseres geehrten Präsidenten zu beten», sagte Jonathan in seiner ersten Fernsehansprache. Niemand soll sagen können, der 52-jährige Sohn eines Bootsbauers habe die Krankheit von Präsident Umaru Yar'Adua genutzt, um sich an die Macht zu putschen.

In Nigeria konnte man sich kaum vorstellen, dass Jonathan einmal auf dem Präsidentensessel landet. In der bevölkerungsreichsten Nation Afrikas prägen Machtpoker und Korruption die Politik. Als erster Staatschef entstammt Jonathan einer der ethnischen Minderheiten des Vielvölkerstaates. Er ist ein Ijaw aus dem ölreichen Niger-Delta im Süden.

In seiner Demokratischen Volkspartei (PDP) verfügt er über keine Hausmacht. Die großen Machtblöcke konnten sich auf keinen der ihren einigen. Und so landete der Christ Jonathan als Kompromisskandidat bei der Wahl 2007 an der Seite Yar'Aduas, der der Spross einer einflussreichen muslimischen Politikerfamilie aus dem Norden ist.

Kritiker halten Jonathan Unerfahrenheit vor. Er wird als ein Mann beschrieben, der stets die Ruhe bewahrt und lächelt. Doch hinter der bedächtigen Fassade steckt zweifellos ein geschickter Strippenzieher. Mit seiner zur Schau gestellten Loyalität gegenüber Yar'Adua schaffte Jonathan es, die mächtige Politelite aus dem Norden von seiner Person zu überzeugen. Womöglich wurde hinter den Kulissen ein Abkommen geschlossen: Jonathan könnte bei der Wahl 2011 auf eine Kandidatur für das Präsidentenamt verzichten - zugunsten eines Muslims aus dem Norden.

Dabei scheint es, als sei Jonathans Aufstieg in der Politik eher mit ihm geschehen als dass er ihn selbst befördert hätte. Der promovierte Zoologe rückte 2005 als Gouverneur des Bundesstaates Bayelsa nur deshalb nach, weil der Amtsinhaber wegen Geldwäsche in London verhaftet worden war. Schon zwei Jahre später berief ihn der damalige Präsident Olusegun Obasanjo, der ebenfalls ein Christ aus dem Süden ist, zum Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten.