Italiens Katholiken sorgen sich um politische Zukunft

Zapatero vor Rom?

Unter Italiens Katholiken breitet sich im Vorfeld der Regionalwahlen Ende März zunehmend Unruhe aus. Die geplanten oder angekündigten Bündnisse und Koalitionen machen die Entscheidung für kirchengebundene Wähler schwieriger als sonst. Vor allem die Koalitionspläne der kleinen UDC, der Union der Christdemokraten, sorgen seit Wochen für Erstaunen.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Die Sechs-Prozent-Partei, die sich als Sammelbecken für traditionelle christliche Wähler präsentiert, strebt neben Allianzen mit den beiden großen politischen Lagern in mehreren Regionen auch Koalitionen mit der linksextremen PRC oder mit der Radikalen Partei an.

Teile der Kirchenbasis sind verschreckt. Gefragt seien heute eine «konsequente Ausrichtung auf Werte und nicht Opportunismus» oder taktische Machtspiele, schreibt die bischofseigene Tageszeitung «Avvenire».

Für noch mehr Unruhe sorgt die Kandidatur der früheren EU-Verbraucherschutz-Kommissarin Emma Bonino von der Radikalen Partei ausgerechnet in der Rom umgebenden Region Latium. Als Vorkämpferin für Abtreibung und Scheidung, für Sterbehilfe und Homosexuellenehe stand Bonino in den vergangenen drei Jahrzehnten gegen vieles, was der Kirche heilig ist.

«Eine Ohrfeige für die christliche Gemeinde», kommentierte «Avvenire». Es sei zu befürchten, dass Latium zu einem «Laboratorium aller Zapaterismen» werde, argwöhnte das Blatt mit Blick auf den spanischen Ministerpräsidenten Jose Luis Rodriguez Zapatero. Er löste in Spanien mit verschiedenen Initiativen Kritik bei Katholiken aus.

In Italien kommen die Warnungen seitens der Kirche freilich verhalten. Der «Avvenire» verpackt sie in den Kommentar- und Leserbriefspalten, etikettiert sie als «private Meinung». Zudem transportieren vor allem Blogs die Basisstimmung. Die Kirchenleitung dagegen folgt strikt dem Kurs der politischen Neutralität. So vermied die offizielle Wahlerklärung der Bischofskonferenz jüngst jede Parteiempfehlung, beschränkte sich auf den allgemeinen Aufruf zu Bürgerverantwortung und Sorgfalt bei der Stimmabgabe.

Auch auf Nachfrage wollte sich der Sekretär der Italienischen Bischofskonferenz, Bischof Mariano Crociata, nicht zur Kandidatur Boninos äußern. Aber er fügte die klassische Kirchenmahnung hinzu, in den Wahlprogrammen die Aussagen zu Lebensschutz und Familie, zu Werten und Solidarität zu prüfen.

Auf diese Richtlinie berufen sich in Italien die beiden großen politischen Lager: das in Rom regierende Mitte-Rechts-Bündnis Pdl unter Silvio Berlusconi und die Mitte-Links-Opposition PD. Seit die christdemokratische DC in den frühen 90er Jahren auseinanderbrach und es mit der politischen Geschlossenheit der kirchengebundenen Wähler vorbei war, wurden viele Parteien für Katholiken wählbar. Sie gelten als umworbene Wählergruppe.

Nach dem Ende der DC versuchten es die auseinanderdriftenden Parteiflügel und Seilschaften zunächst mit Partei-Neugründungen und neuen Allianzen - in beiden großen Blöcken. Die UDC, die aus der Fusion von zwei zunächst eigenständigen Parteien entstand und sich zunächst dem Mitte-Rechts-Lager anschloss, will sich nun zwischen den beiden Blöcken etablieren. Das erklärt die unterschiedlichen Wahlbündnisse.

Papst Benedikt XVI. hat in den vergangenen Wochen mehrfach Politik und Politiker zur Orientierung an Werten aufgerufen, zuletzt am 14. Januar beim traditionellen Neujahrsempfang für die Spitzen von Stadt und Provinz Rom sowie der Region Latium. Diese war bei der Papstaudienz durch ihren Vizepräsidenten vertreten, nachdem Präsident Piero Marrazzo kurz vor Weihnachten nach einem Skandal um Transsexuelle und Rauschgift zurückgetreten war.

Für die Nachfolge Marrazzos, der die Region auf dem PD-Ticket leitete, brachte sich Bonino ins Rennen. Der neue PD-Präsident Pierluigi Bersani, dessen stärkere Linksorientierung manche Ex-Christdemokraten zum Austritt veranlasst hat, akzeptierte die Kandidatur. Sie könnte damit im Falle eines Wahlsieges die mittelitalienische Region Latium beim Neujahrsempfang im Vatikan 2011 anführen.