Entwicklungshelfer sehen sich durch Merkels Linie bestätigt

"In Afghanistan braucht man einen langen Atem"

Die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Aussicht gestellte Verdopplung der Entwicklungshilfe für Afghanistan auf 250 Millionen Euro ist ein Schritt, den sich die Helfer in dem kriegsgebeutelten Vielvölkerstaat schon lange gewünscht haben. Im Norden des Landes engagieren sich der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) und die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) seit Jahren, den Menschen wieder eine Perspektive zu bieten. Denn, so die Erfahrung, so lange die Bevölkerung ums tägliche Überleben kämpft, ist sie auch empfänglich für die Versprechungen der Taliban.

Autor/in:
Katharina Ebel
 (DR)

In einer sogenannten Not- und Übergangshilfe wurden in den letzten Jahren Bildung, Trinkwasser- und Energieversorgung sowie Infrastruktur gefördert. Davon profitierten vor allem die Menschen in den Städten. In den Dörfern sei jedoch vom Friedensprozess lange Zeit nicht viel zu spüren gewesen, berichtet Andreas Schneider, der für Afghanistan zuständige Regionalgruppenleiter in der Bonner DED-Zentrale.

Seit knapp zwei Jahren bietet der DED auch bäuerliche Soforthilfe an. Mikrokredite für Weizenanbau, Kleintierhaltung oder Imkereien sollen das Einkommen der ländlichen Bevölkerung in der Provinz Badakhshan erhöhen. Es sind kleine, aber wirksame Schritte, die gegenüber Großprojekten manchen Vorteil haben: zum Beispiel eine schnelle Verbesserung der persönlichen Lebensumstände. Auch Korruption hat weniger Chancen.

Seit 2001 ist nach Meinung des GTZ-Projektkoordinators in Kabul, Andreas Clausing, viel erreicht worden: Städte hängen am Stromnetz, die Infrastruktur wurde ausgebaut, Lehrer ausgebildet, Berufsschulen eingerichtet. Sogar ein Gender Projekt finde nach Startschwierigkeiten Akzeptanz. So entstehen in einigen Dörfern Frauengruppen, die sich über effiziente Haushaltsführung, Tierhaltung und Obstanbau informieren und damit vermehrt Freiheiten erlangen. «Natürlich funktioniert das nicht überall», schränkt Clausing ein, «aber in der tadschikisch dominierten Provinz Badakhshan sind die Menschen recht offen gegenüber Veränderungen.»

Auch wenn weiterhin Schulen von radikalen Islamisten niedergebrannt werden, gewinnt Bildung im Norden des Landes nach den Worten des GTZ-Manns an Bedeutung. 2007 sei dort nur jedes neunte Mädchen zur Schule gegangen, 2009 war es schon jedes dritte. Man müsse bei aller Kritik und trotz mancher Rückschläge auch das Positive sehen, findet Clausing. Zunehmend seien die Leute in der Lage, die Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen. DED und GTZ haben es sich deshalb zum Grundsatz gemacht, soviel wie möglich mit der Bevölkerung zusammenzuarbeiten.

Laut Schneider bietet diese Form der Zusammenarbeit auch den Vorteil von mehr Sicherheit für die Entwicklungshelfer. «Denn einen wirklichen Schutz des Personals des zivilen Wiederaufbaus hat es in den seltensten Fällen gegeben,» kritisiert der für Afghanistan zuständige Regionalgruppenleiter die internationale Militärmission ISAF.

Die beiden Hilfsorganisationen haben deshalb zusammen mit anderen Nichtregierungsorganisationen ein eigenes Risikomanagement ins Leben gerufen. Dort arbeitet man zwar mit der ISAF zusammen, doch eine Evakuierung in Krisenfällen durch Soldaten der Bundeswehr hat es zu seiner Zeit selten gegeben. Am besten seien die Entwicklungshelfer durch einheimische Kollegen sowie gute kulturelle und sprachliche Kenntnisse geschützt.

Dennoch: «Es wäre blauäugig zu glauben, ohne die ISAF-Truppen arbeiten zu können,» fügt Schneider hinzu. Ohne diese Form der Stabilisierung könnte die Situation in Afghanistan schnell kippen. Solange der afghanische Staat noch nicht selbst in der Lage sei, die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten, bleibe er auf die ausländischen Truppen angewiesen.

Und während in Deutschland die politische Diskussion schon um Abzugsstrategien kreist, richten sich die Hilfsorganisationen noch auf viele Jahre ein. Schneider: «In Afghanistan braucht man einen langen Atem.»