Lehren für die Zukunft am 65. Jahrestag der Befreiuung

Internationales Jugendtreffen in Auschwitz

Rund um die großen Gedenkfeiern am 65. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 1945 organisiert das Maximilian-Kolbe-Werk im ehemaligen Vernichtungslager eine fünftägige internationale Begegnung von Überlebenden und jungen Europäern aus acht Nationen.

Autor/in:
Volker Hasenauer
 (DR)

«Die Zeit ist jetzt», sagt Agnieszka Pustola und meint damit, dass nicht mehr viele Gelegenheiten bleiben, um mit den letzten Überlebenden der Nazi-Konzentrationslager zu sprechen. «Deshalb bin ich froh, in den kommenden Tagen diese Chance zu erhalten.» Gemeinsam mit 30 weiteren jungen Erwachsenen ist die 25-jährige Polin, die in Freiburg studiert, am Sonntag nach Auschwitz gefahren.

«Wir wollen gemeinsam der Vergangenheit gedenken und fürs Heute und die Zukunft lernen», fasst Kolbewerk-Geschäftsführer Wolfgang Gerstner das Ziel des Jugendtreffens zusammen. Seit 1973 setzt sich die nach dem in Auschwitz ermordeten Franziskanerpater Maximilian Kolbe benannte katholische Hilfsorganisation für Überlebende der Konzentrationslager und Ghettos in Mittel- und Osteuropa ein. Außer medizinischen Hilfen in den Heimatländern der NS-Opfer organisiert sie Erholungs- und Begegnungsaufenthalte in Deutschland. Seit mehreren Jahren versucht die Organisation dabei, junge Menschen mit den Überlebenden in Kontakt zu bringen.

Der Schritt, ein Treffen in Auschwitz auszurichten, ist neu. «Junge Leute aus verschiedenen Kulturen und Ländern Europas werden eine Woche lang intensiv gemeinsam mit Überlebenden des Nationalsozialismus reden und arbeiten», so Gerstner. Im Mittelpunkt stehen die internationalen Gedenkfeiern am 27. Januar.

Beim Projekt des Kolbewerks, das auch von der kirchlichen Friedensorganisation Pax Christi unterstützt wird, werden zwölf Zeitzeugen - ehemalige Häftlinge in Auschwitz, Ravensbrück oder Mauthausen sowie Ghetto-Überlebende - mit 30 jungen Erwachsenen aus Deutschland, Österreich, Polen, Tschechien, Litauen, Russland, der Ukraine und Weißrussland zusammentreffen.

Den jungen Teilnehmern ist gemeinsam, dass sie sich bereits in ihrer Heimat für NS-Erinnerungsprojekte engagiert haben. «Ich bin gespannt auf den internationalen Austausch, und ich glaube, dass wir Jungen eine große Verantwortung haben, die Erinnerung weiterzutragen, gerade wenn die letzten Zeitzeugen einmal gestorben sind», beschreibt Carsten Beyermann seine Motivation. Der 19-Jährige ist Zivildienstleistender in der Thüringer KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora und hofft, vom Seminar in Auschwitz bei seiner Arbeit
- etwa bei der Führung von Gedenkstättenbesuchern - profitieren zu können.

Ziel des Seminars ist es einerseits, Zeit und Raum für Austausch über die Erinnerungsarbeit in den verschiedenen Ländern zu geben. Andererseits geht es darum, mehr über aktuellen Rassismus und Ausgrenzung in Europa zu erfahren. Die internationale Jugendbegegnung ist ein Pilotprojekt - und beim Kolbewerk wird nicht ausgeschlossen, dass es künftig weitere Seminare in Auschwitz geben könnte.

Agnieszka Pustola, die sich in Deutschland bei Besuchen von NS-Überlebenden aus Polen als Übersetzerin engagiert, blickt bei aller erwartungsvollen Spannung auch nervös auf das Treffen in Auschwitz. «Ich hatte immer ein wenig Angst, an diesen schrecklichen Ort zu gehen. Das wird sicher schwer. Aber wenn Du mit einem Überlebenden der Konzentrationslager sprichst, bekommt Geschichte ein Gesicht. Deshalb fahre ich.»