Aus dem Arztreport der Barmer GEK, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde, geht hervor, dass die Arztkontakte weiter zunehmen und die Menschen in Deutschland doppelt so häufig zum Arzt gehen wie in anderen Industrieländern. Nur sieben Prozent der Bürger gingen 2008 überhaupt nicht zum Arzt.
Der Untersuchung zufolge entfielen im Jahr 2008 auf jeden Versicherten im Durchschnitt 18,1 Arztkontakte. 2007 waren es durchschnittlich 17,7 Arztbesuche. Der Preis für die häufigen Termine ist dem Bericht zufolge eine schnelle Abfertigung: Nur acht Minuten hat ein niedergelassener Arzt durchschnittlich Zeit für einen Patienten.
Daten von 1,7 Millionen Versicherten
Vor fünf Jahren, als die damals noch eigenständige Gmünder Ersatzkasse ihren ersten Arztreport veröffentlichte, kamen die Menschen noch mit zwei Arztbesuchen pro Jahr weniger aus. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Rolf-Ulrich Schlenker, forderte eine bessere Steuerung der Arztbesuche. Mit der Absicht, die Hausärzte zu den zentralen Anlaufstellen für die Patienten zu machen, sei man offenbar nicht vorangekommen, kritisierte Schlenker. Die Wirkung der Praxissgebühr sei "fraglich". Ein Teil der Arztkontakte sei offenbar Drehtüreffekten und Doppeluntersuchungen geschuldet.
Der Barmer GEK Arztreport basiert auf den Daten von 1,7 Millionen Versicherten der bis zum vorigen Jahr eigenständigen GEK. Das entspricht einem Anteil von zwei Prozent der Bevölkerung. Die Ergebnisse sind repräsentativ. Die Barmer und die Gmünder Ersatzkasse hatten 2009 ihre Fusion beschlossen. Seit diesem Jahr ist die Barmer GEK mit 8,6 Millionen Versicherten die größte deutsche Krankenkasse.
Lauterbach für Abschaffung der Praxisgebühr
Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hatte vergangene Woche den Abschied von Kernelementen der von seiner Partei 2003 und 2007 mitbeschlossenen Gesundheitsreformen. So müsse die Praxisgebühr für Arztbesuche wieder abgeschafft werden, sagte Lauterbach dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Auch sollten die Krankenkassen wieder unterschiedliche Beitragssätze erheben können. Der seit Anfang 2009 geltende Einheitsbeitragssatz fiele damit weg.
Lauterbach begründete seine Forderungen damit, dass die Praxisgebühr keine steuernde Wirkung habe. Sie begrenze überflüssige Arztbesuche nicht und sei bei Ärzten wie Patienten gleichermaßen unbeliebt. Zur Gegenfinanzierung schlug Lauterbach vor, höhere Preise für neue Arzneimittel nur noch dann von den Krankenkassen ersetzen zu lassen, wenn es sich um "echte Innovationen" handele und nicht nur scheinbar neue Präparate. Mit der Rückkehr zu unterschiedlichen Beitragssätzen solle der Wettbewerb unter den Kassen gestärkt werden.
Lauterbach plädierte zudem dafür, das gesetzliche Krankenversicherungssystem durch einen langfristig steigenden Steueranteil zu unterstützen. Damit könnten auch in einer alternden Bevölkerung die Beiträge stabil gehalten werden. Die von der Regierung geplante Einführung von Kopfpauschalen über allmählich ansteigende Zusatzbeiträge sowie das Einfrieren des Arbeitgeberanteils lehnte Lauterbach ab.
Die Praxisgebühr zeigt offenbar keine Wirkung mehr
18,1 Arztkontakte à 8 Minuten
Eigentlich sollte die Praxisgebühr Arztbesuche vermindern und steuern. Doch offenbar halten die 10 Euro pro Quartal kaum auf: Deutsche gehen weiterhin häufiger zum Arzt als Bürger anderer Industrieländer. Gleichzeitig werden sie dort immer schneller abgefertigt.
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