Das Erdbeben auf Haiti verschlimmert Lage der Menschen weiter

Katastrophe in der "Perle der Karibik"

Zerstörte Häuser, blockierte Straßen, zusammengebrochene Kommunikationswege. Nach dem schweren Erdbeben auf Haiti befürchten Hilfsorganisationen eine Katastrophe mit Tausenden Toten. Es habe sich angefühlt, als sei ein Lastwagen in die Wand gerast, berichtet Magalie Boyer vom Hilfswerk World Vision über das Beben.

Autor/in:
Tobias Käufer und Caroline Schulke
 (DR)

Und ihr Kollege Edward Brown verweist auf das besondere Ausmaß der Katastrophe für das Land: Ein Erbeben dieser Stärke sei überall auf der Welt besorgniserregend. Es sei aber auf Haiti besonders verheerend, weil die Menschen ohnehin schon unter schlechter Infrastruktur und Armut litten.  

Tatsächlich hat Haiti einen Schlag nach dem anderen zu verkraften. Naturkatastrophen, Korruption und politisches Chaos: Das Land versank auch schon ohne das jüngste Erdbeben im Chaos. Mehr als zwei Drittel der etwa neun Millionen Einwohner leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Nicht einmal zwei Dollar pro Kopf stehen für den täglichen Überlebenskampf zur Verfügung.

Jeder zweite Haitianer im erwerbsfähigen Alter ist arbeitslos. Und unterernährt. Dazu kommt Analphabetismus: Über 50 Prozent der Haitianer können nicht richtig lesen und schreiben. Es fehlt an Schulen und Lehrern. Die Situation in Haiti ist verheerend - deswegen wählte das deutsche katholische Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat Haiti als Schwerpunktland seiner gerade zu Ende gehenden Weihnachts-Aktion. Bedarf an Hilfe gibt es an allen Ecken und Enden: Ernährung, Bildung, medizinische Versorgung und Umweltschutz.

Die rücksichtslose Abholzung der Regenwälder, die Haiti einst komplett bedeckten, führt zur Erosion des Mutterbodens. Die Konsequenz der von internationalen Konzernen vorangetriebenen
Umweltzerstörung: Weite Teile des Landes sind unfruchtbar. Und ohne den Schutz der Wälder wüten die immer häufigeren Wirbelstürme noch zerstörerischer.

So suchte etwas im Sommer 2008 eine Serie von Stürmen das Land heim und hinterließ eine Spur der Verwüstung. Dabei kamen nach offiziellen Angaben fast 800 Menschen ums Leben, mehr als 500 wurden verletzt, 300 galten als vermisst. Rund eine Million Menschen wurden obdachlos.

Hinzu tritt die politische Instabilität, die das Land nicht zur Ruhe kommen lässt. Nur ein Jahr nach ihrem Amtsantritt wurde Ende Oktober die Ministerpräsidentin des Karibikstaates, Michelle Pierre-Louis, vom Senat per Misstrauensvotum abgesetzt. Die populäre Regierungschefin stürzte über Korruptionsvorwürfe, wenngleich politische Beobachter auch von einer politischen Intrige gegen die erste Dame des Landes sprachen.

Der «Fall Pierre-Louis» ist das jüngste Beispiel einer langen Reihe von politischen Desastern auf der Insel: Diktatoren und korrupte Regierungen haben das einst als «Perle der Karibik» gefeierte Land heruntergewirtschaftet. Bis heute sind die Auswirkungen der brutalen Diktatur Jean-Claude Duvalier (1971-1986) im ganzen Land zu spüren.

Immer problematischer gestalten sich die Beziehungen zum Nachbarland Dominikanische Republik: Übergriffe gegen - oft illegal eingereiste - haitianische Einwanderer, die unter erbärmlichen Bedingungen auf den Zuckerrohrplantagen arbeiten, belasten das Klima. Ein Mindestmaß an Sicherheit garantiert ein UN-Mandat, für das Tausende Blauhelm-Soldaten auf Haiti stationiert sind. Die Friedensmission Minustah startete nach den gewalttätigen Unruhen von 2004, die den damaligen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide ins Exil trieben. Doch auch die UN wurden nun von dem Erdbeben stark getroffen. Das Minustah-Hauptquartier in der Hauptstadt Port-au-Prince sei schwer beschädigt, habe das Erdbeben aber überstanden, so die UN in New York.