Der Jugendbuch-Autor Willi Fährmann wird 80 Jahre alt

Vom Maurer zum Erfolgsautor

Seine rund 50 Bücher haben Millionenauflagen erzielt, seine Erzählungen finden sich in vielen Schulbüchern. Willi Fährmann ist einer der bedeutendsten deutschen Kinder- und Jugendbuchautoren. Am Freitag wird der in Duisburg geborene und in Xanten lebende Erzähler 80 Jahre alt.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Er ist ein Kind des Ruhrpotts, geboren und groß geworden in Duisburg, wohin es seinen aus Ostpreußen geflohenen Vater verschlagen hatte. Da der Vater in einer Brauerei arbeitete und ein Teil des Lohns in Bier abgegolten wurde, trafen sich in der Fährmannschen Wohnung Bekannte gern zu einem Plausch. Ihre Geschichten, aber auch die Erzählungen seiner Großmutter beflügelten seine Fantasie schon als Kind.

Nach der Schule absolvierte Fährmann 1946 zunächst eine Maurerlehre, während der er an der Abendschule die Qualifikation zum Studium nachholte. Wie bei anderen großen Jugendbuchautoren gingen der Beruf des Lehrens und des Schreibens eine fruchtbare Verbindung ein: Von 1954 an war Fährmann Volksschullehrer in Duisburg. 1963 wurde er Schulleiter in Xanten, 1972 dann Schulrat.

"Nicht Literatur auf Schmalspur, sondern Poesie"
Kindern und Jugendlichen "nicht Literatur auf Schmalspur, sondern Poesie" zu bieten, das ist sein Anliegen. Seine intensiv recherchierten Werke seien keine reinen Problembücher, betont er. Zwar schildern sie Schicksalsschläge, aber auch Freude und Glück kommen nicht zu kurz: "Ich will Weinen und Lachen, Freude und Leid zur Sprache bringen", sagt der Autor, der gerade seine Erinnerungen unter dem Titel "Das Glück ist nicht vorbei gegangen" veröffentlicht hat. Die Hoffnung auf eine bessere Welt hat bei Fährmann immer einen Platz.

Thema seiner Romane sind die Lebenswege von Menschen in extremen
Situationen: Flucht, Auswanderung, Aussiedlung oder Behinderung werden aus der Perspektive kleiner Leute erzählt. Fährmann ist ein Meister des realistischen Erzählens, ein Chronist des Alltagslebens im deutschen 20. Jahrhundert.

Sein wenig erfolgreiches schriftstellerisches Debüt gab er Mitte der 50er Jahre. Der Erfolg kam 1962 mit "Das Jahr der Wölfe", das sich mit "Kristina, vergiss nicht..." (1974), "Der lange Weg des Lukas B." (1980) und "Zeit zu hassen, Zeit zu lieben" (1985) zu einer Familiensaga verbindet. In ihr erzählt er die Geschichte einer ostpreußische Handwerkerfamilie vor dem Hintergrund der deutsch-polnischen Beziehungen von 1870 bis zur Gegenwart. Mit dieser Tetralogie trug Fährmann entscheidend zur Wiederentdeckung der historischen Dimension in der Jugendliteratur bei.

Auch sein 1968 erschienener Roman "Es geschah im Nachbarhaus" war ein für die damalige Zeit gewagter Stoff: Fährmann schildert darin das Kesseltreiben gegen eine jüdische Familie, der in einer Kleinstadt am Niederrhein 1891 ein Kindermord angehängt werden soll. Das Werk ebnete den Weg für eine Beschäftigung junger Leute mit den Hintergründen des Holocaust.

Realist und Märchenerzähler
In seinem jüngsten Werk, dem 2008 erschienenen "So weit die Wolken ziehen" erzählt Fährmann von der Kinderlandverschickung während des Zweiten Weltkriegs. Ihn ärgert, wie sehr das Thema nachträglich verniedlicht worden sei: Schließlich wurden die Jungen und Mädchen damals für lange Zeit von ihren Eltern getrennt - auch, weil die Mütter in der Kriegswirtschaft gebraucht wurden.

Neben dem Realisten gibt es auch den Fährmann, der Märchen, Sagen und Legenden liebt. So hat er die Siegfried-Sage für junge Leser neu erzählt, hat Heiligenlegenden wie die des Franziskus für jüngste Leser geschrieben. Fährmann ist seit seinen Jugendtagen ein bekennender, aber auch kritischer Katholik. "Ich glaube, die meisten Entscheidungen sind in unsere Freiheit gestellt, deswegen können wir Gott nicht für alles verantwortlich machen. Das ist keine Entladestation für Misslungenes", sagte er jüngst im Deutschlandfunk.

Seine geistige Heimat sei geprägt worden durch die katholische Jugendgruppe und gute Kapläne. "Aber es stieße mir ganz sauer auf, wenn ich etwa in die Reihe von Apologeten eingereiht würde. Ich zeige ja ein sehr breitgefächertes Bild von Katholizismus."