Mariä Empfängnis wurde 1854 Hochfest

Sie wurde erwählt

Am 8. Dezember feiert die Katholische Kirche das Fest Mariä Empfängnis. Präzise heißt es "Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria". Theologe und domradio-Redakteur Jan Hendrik Stens über Entstehung, Kontroverse und Missverständnisse rund um den Feiertag.

 (DR)

domradio: "Erbsünde" und "empfangen" - was ist damit gemeint?
Stens: Erbsünde selbst meint nicht - wie man vielleicht beim Thema Erben denken könnte - eine biologische Vererbung von Schuld. Es geht darum, dass seit dem Sündenfall, also seit Adam und Eva, überall in der Welt Schuld und Versagen gegenwärtig sind. Und wir Menschen sind von unserem Dasein an dieser Schuld ausgesetzt, das heißt wir Menschen haben grundsätzlich die Möglichkeit, gut oder böse zu handeln - und laufen oft genug Gefahr, böse zu handeln. Das ist mit Erbsünde gemeint. Und "Empfängnis" bedeutet hier nicht, wie man vielleicht denken könnte, Maria hat empfangen, sondern Maria wurde empfangen. Wenn man das sich das Ganze kalendarisch anschaut: In neun Monaten feiern wir Mariä Geburt, das Fest der Geburt Mariens. Heute feiern wir also, wenn man es so ausdrücken möchte, das Fest der Zeugung Mariä. Und wenn wir diese Empfängnis mit der Erbsünde verknüpfen, sagt das heutige Hochfest Folgendes aus: Schon zum Zeitpunkt ihrer Zeugung stand fest, dass Maria vor dieser Erbsünde bewahrt war, schon ab dem Zeitpunkt stand fest, dass sie eines Tages Gottes Gebärerin sein wird. Eine schöne Bezeichnung für das Fest ist deshalb auch "Erwählung Mariens".

domradio: Hat das heutige Hochfest also nichts mit der Jungfrauengeburt zu tun?
Stens: Natürlich hängt das eine mit dem den anderen zusammen. Aber wir feiern nicht, dass Maria heute bei der Empfängnis Jesu Jungfrau geblieben ist. Das feiern wir im März, am 25. März, neun Monate vor Weihnachten.

domradio: Warum wurde denn die "Unbefleckte Empfängnis" vor über 150 Jahren dogmatisiert?
Stens: Ein Dogma ist eine Glaubenswahrheit. Eine Glaubenswahrheit wird zunächst abgeleitet aus den möglichst ältesten Texten, die unsere Kirche vorfindet. Das ist die Heilige Schrift. Über Christus finden wir dort sehr viel, dort kann man sehr viele Glaubensgrundwahrheiten finden. Unser Glaubensbekenntnis ist ja eine Aneinanderreihung von Dogmen. Bei der Gottesmutter sieht es ein bisschen schwieriger aus. Über das, was mit ihrer Kindheit zu tun hat oder ihren Tod, finden wir in der Heiligen Schrift, so wie sie uns heute im Kanon vorliegt, gar nichts. Von Anfang an wurde immer wieder darüber diskutiert, wie Maria vor dieser Erbsünde bewahrt bleiben kann. Kirchenväter wie Augustinus, Theologen wie Albert der Große haben das sehr kontrovers getan. Und 1854 schließlich hat Papst Pius IX. feierlich verkündet, dass der Glaube daran, dass Maria schon vom Zeitpunkt ihrer Zeugung an vor der Erbsünde bewahrt geblieben ist. Wenn man das ins Juristische überträgt, könnte man diesen Prozess mit einem Entscheid des Bundesverfassungsgerichts vergleichen. Das ist eine endgültige Entscheidung, die die Diskussion - zumindest offiziell - abschließt. Damit, kann man sagen, ist dieses Dogma der Unbefleckten Empfängnis bis zum heutigen Tag als Glaubenswahrheit genauso wie Jesu Tod und Auferstehung anzunehmen.

Das Gespräch führte Stephanie Gebert.