De Garderobe für Sankt Nikolaus in Bayern

Kein Faschingskostüm

Hier sollen Nikoläuse auf ihre Kosten kommen? Wo Schneiderpuppen enge Mini-Kleider tragen oder gelbe Mäntel? Das Mode-Atelier von Georgine Hösl im oberbayerischen Wartenberg erfüllt wohl eher Damenwünsche. Wären da nicht die Ballen mit rotem, goldenem oder violettem Stoff, die verzierten Borten und die Bischofsmütze.

Autor/in:
Carola Renzikowski
 (DR)

Hier sollen Nikoläuse auf ihre Kosten kommen? Wo Schneiderpuppen enge Mini-Kleider mit lila-rotem Blumenmuster tragen oder gelbe Mäntel aus dickem Wollstoff? Das Mode-Atelier von Georgine Hösl im oberbayerischen Wartenberg erfüllt wohl eher Damenwünsche. Wären da nicht die Ballen mit rotem, goldenem oder violettem Stoff, die verzierten Borten und die Bischofsmütze. Seit zwölf Jahren entwirft und näht die Schneidermeisterin liturgische Gewänder für Priester, Pfarrer und Diakone. Außerdem sorgt sie für das korrekte Outfit ungeweihter Würdenträger, die alljährlich um den 6. Dezember ausschwärmen, um die Kinder zu beglücken.

Aus dem rotem Stoff einen Bischofsumhang zu zaubern ist eine ihrer leichtesten Übungen: Einmal das feste Material doppelt auf den Tisch gelegt, 15 weiße Markierungen rund um die halbkreisförmige Kartonschablone gemalt, und schon legt Hösl mit der Schere los. Dann näht sie an einer der drei Maschinen eine gold-rot verschnörkelte Borte vom Halsausschnitt bis hinunter zum Saum auf. Und noch mal schräg von Brusthöhe Richtung Schultern - für das Gabelkreuz. Es fehlen noch einige Arbeitsschritte, aber die schlichte Kasel sieht schon edel aus. Das ponchoartige Messgewand aus viereinhalb Quadratmeter Stoff wird über der knöchellangen Albe getragen.

Den "echten Nikolaus" spielen
"Wir wollen ja kein Faschingskostüm verkaufen, sondern eine würdige Garderobe", sagt Andreas Püttmann vom Münchner Kirchenbedarfshandel Schreibmayr. Seine Textilien gibt er größtenteils bei Hösl in Auftrag. Seit drei Jahren kommen immer öfter Leute zu ihm, die den "echten Nikolaus" spielen wollen und eine entsprechende Bekleidung suchen. Bisher konnten sie zwischen zwei schlichteren roten Bischof-Kaseln wählen und einem gleichfarbigen gefütterten Rauchmantel mit barockem Verschluss und spitzer Cappa mit Quaste auf dem Rücken.

Wer aber sagt eigentlich, dass der Nikolaus so rot gehen muss wie der Weihnachtsmann im pelzbesetzten Kapuzenmantel? Sowohl in Kirchen, auf alten Abbildungen und selbst in Wappen von Kreisen und Städten in Deutschland, Tschechien, Slowenien und Frankreich ist der Heilige in gold-rotem, noch öfter aber in gold-weißem Mantel zu sehen - von der katholischen Liturgie her die beiden feierlichsten Farben.

Inzwischen gibt es bei Schreibmayr den Rauchmantel auch in Gold mit roten Verzierungen. Ausgebreitet auf dem Schneidertisch von Gerlinde Hösl sieht dieses Kleidungsstück aus metalldurchwebtem Lameestoff und rotem Innenfutter beeindruckend aus. Dazu gehören noch die goldene Mitra in gotischem Schnitt aus Brokat und die Albe. Die meisten Nikoläuse wollen außerdem nicht auf die weiße Perücke, einen Bart, weiße Handschuhe und den Aufsatz für den Bischofstab verzichten. Obwohl sie für so eine Ausstattung tief in die Tasche greifen müssen: Der "echte Nikolaus" kostet zwischen 600 und 800 Euro.

Großaufträge gewohnt
Erst waren die Messgewänder für Georgine Hösl nur gewöhnliche Aufträge neben anderen. "Inzwischen schaue ich mir genau an, was die Pfarrer so anhaben und ob es ihnen passt", erzählt die 43-Jährige. Ins Schwärmen kommt sie bei den hochwertigen Stoffen, die durch ihre Hände gehen. Zum Beispiel der Goldbrokat mit silbernem Maiglöckchenmuster. Oder der grüne golddurchwebte Trevira-Wollstoff. Daraus nähten Hösl und ihre Kolleginnen gut 200 Kaseln und Diakon-Dalmatiken für ein einheitliches Erscheinungsbild bei der Papstmesse 2006 in München.

Dieser Großauftrag war aber noch ein Klacks gegen den vom Jahr davor: Für den Weltjugendtag in Köln lieferte Hösl insgesamt 700 weiße Mitren. Danach konnte sie erst mal keine mehr sehen.