Bischof Rowan Williams und Papst Benedikt XVI. haben viel gemeinsam

Treffen der Spitzendenker

Wenn Papst Benedikt XVI. am Samstag den anglikanischen Erzbischof Rowan Williams von Canterbury empfängt, ist es fast schon ein Treffen zwischen alten Bekannten: Bereits 2005, 2006 und 2008 war der anglikanische Primas von England zu Besuch im Vatikan. Dabei ist die Geschichte dieser ökumenischen Spitzenbegegnungen noch gar nicht lang.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Treffen am Samstag: Papst Benedikt XVI. und Bischof Williams (KNA)
Treffen am Samstag: Papst Benedikt XVI. und Bischof Williams / ( KNA )

Vor 1960 war über ein halbes Jahrtausend kein Erzbischof von Canterbury ins «papistische» Rom gereist. Der letzte Primas von England, der davor die römische Kurie besuchte, war Thomas Arundel - 1397, noch lange vor der Reformation. Nach dem Bruch mit Rom und der Errichtung einer englischen Staatskirche 1534 herrschte über Jahrhunderte Eiszeit - bis zum ökumenischen Tauwetter der 1960er Jahre.

Williams' Vorgänger, Primas George Carey, traf Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. sechs mal. Und als Williams im Frühjahr 2005 zur Amtseinführung von Benedikt XVI. nach Rom reiste und dem verstorbenen Johannes Paul II. seine Reverenz erwies, trug er jenen Ring, den Papst Paul VI. im Jahr 1966 dem damaligen Erzbischof von Canterbury, Michael Ramsey, überreichte. Solche Gesten sind durchaus angetan, gegenseitige persönliche Wärme zu erzeugen.

Ohnehin verbindet den 59-jährigen Waliser und den 82-jährigen Bayern mehr, als man zunächst meinen könnte. Beide sind intellektuell überaus beschlagen. Beide lieben den eher unemotionalen, akademischen Diskurs - und haben gerade damit einige leidenschaftliche bis handgreifliche Kontroversen ausgelöst. Der Papst erregte mit einem Universitäts-Vortrag über Religion und Gewalt den Zorn von Muslimen. Und Williams erlebte sein Regensburg zum Thema Frauenpriestertum - ausgerechnet im Interview mit einer katholischen Zeitung.

Der Poet mit dem weißen Rauschebart ist auf jeden Fall ein Hingucker. Acht Sprachen spricht er - und seine englische Rhetorik ist so bewundernswert geschliffen, dass viele seiner Landsleute seinen Gedankengängen auch ohne Sprachbarriere nur schwer folgen können. Dem Mann der leisen, nachdenklichen Töne gelingt es nicht immer, sich selbst zu übersetzen. Dabei zeugen seine intellektuellen Einlassungen zu Religion, Politik und sozialem Sektor von Bodenständigkeit, Realitätssinn und Dialogbereitschaft. Sein Vorschlag, zur besseren Integration Teile der Scharia-Gesetzgebung für britische Muslime gelten zu lassen, sorgte für Aufsehen - und für Kopfschütteln. Auf außenpolitischem Gebiet ist vor allem seine deutliche Ablehnung des Irak-Kriegs im Gedächtnis, den er von Beginn an als ungerechtfertigt verurteilte.

Primas und Papst fühlen sich beide einer Überwindung der vielfältigen Kirchenspaltungen verpflichtet. Und zugleich haben sie stark mit den Zentrifugalkräften des Säkularismus und mit Streitigkeiten innerhalb der eigenen Kirchengemeinschaft zu kämpfen.
Jede Geste, jede Äußerung in Richtung der kirchlichen Linken oder Rechten wird argwöhnisch beäugt und kommentiert. Dass nun das jüngst erfolgte Angebot des Papstes an übertrittswillige Anglikaner den Primas in eine neue Zwickmühle bringt, macht die Begegnung der beiden Kirchenoberhäupter noch interessanter.

Binnen Jahresfrist könnten sich die beiden schon wiedersehen. Dann reist Benedikt XVI. britischen Medienberichten zufolge zu einem historischen Auswärtsspiel auf die Insel: Es wäre der erste offizielle Staatsbesuch eines Papstes in Großbritannien, seit sich König Heinrich VIII. 1534 von Rom lossagte und seine eigene Kirche - die anglikanische Staatskirche - gründete. Zwar brach schon Johannes Paul II. im Mai/Juni 1982 den kirchenhistorischen Bann. Damals handelte es sich freilich um eine Pastoralreise - einen Besuch bei den Katholiken des Landes. Benedikt XVI. käme im September als Seelsorger und Kirchenoberhaupt, aber auch als Staatsoberhaupt.