Spanien streitet weiter um Schwangerschaftsabbrüche

Heftige Debatten

Autor/in:
Manuel Meyer
 (DR)

Die Botschaft an Spaniens katholische Parlamentsabgeordnete war klar und deutlich. Vor der Abstimmung über die geplante Liberalisierung der spanischen Abtreibungsgesetze wollte Bischof Juan Antonio Martinez Camino, Generalsekretär der spanischen Bischofskonferenz, keine Zweifel aufkommen lassen: «Wer das neue Gesetz im Parlament unterstützt, begeht öffentlich eine Todsünde und kann nicht länger die heilige Kommunion empfangen.» Deutliche Worte, die eine ebenso deutliche Reaktion hervorriefen.
Die meisten Politiker wiesen das Anliegen des Weihbischofs von Madrid zurück.

Überraschend ist die Ablehnung des Gesetzentwurfes durch Martinez nicht. Seit Monaten geht die Kirche gegen die Pläne vor, die die spanische Regierung Ende September gebilligt hatte. Die Gesetzesvorlage, über die nun das Parlament im Winter oder spätestens im Frühjahr befinden muss, sieht unter anderem eine straffreie Abtreibung bis zur 14. Schwangerschaftswoche vor. Zudem sollen Minderjährige ab 16 Jahren künftig eine Abtreibung ohne Einverständnis ihrer Eltern vornehmen lassen dürfen.

Bislang sind Abtreibungen in Spanien grundsätzlich verboten. Die seit 1985 geltende Regelung gestattet nur drei Ausnahmefälle:
Vergewaltigung, Missbildung des Fötus sowie eine Gefährdung der physischen oder psychischen Gesundheit der werdenden Mutter.
Gewöhnlich war die Bescheinigung eines Ausnahmefalles in den vergangenen Jahren kein Problem. Die jährliche Zahl der Abtreibungen verdoppelte sich in der vergangenen Dekade auf 122.000 im Jahr 2008.
Das waren mehr als in Deutschland, bei nur gut halb so vielen Einwohnern.

Der Staat solle nicht eine «Kultur des Todes» fördern, sondern die vergleichsweise geringe staatliche Unterstützung für Familien erhöhen, forderte Weihbischof Camino nun mit Blick auf die geplante Liberalisierung. Zugleich stellte er klar, dass seine Forderung nach einem Ausschluss von der Eucharistie keinen Ausschluss aus der Kirchengemeinschaft, also keine Exkommunikation, bedeute. Diese drohe aber jenen, die sich aktiv an einer Abtreibung beteiligten.

Mit seinen Äußerungen löste Martinez eine Welle von Reaktionen aus.
Spaniens Medien gingen geradezu auf die Kirche los. Empört meldeten sich auch katholische Politiker zu Wort. Die Kirche versuche, öffentlich Druck auf die Parlamentarier auszuüben und der Gesellschaft ihre moralischen Vorstellungen aufzudrücken, lautete die Kritik.

Der katalanische Abgeordnete und bekennende Katholik Pere Macias
sagte: «Ich dachte, die Inquisition sei vor Jahrhunderten abgeschafft worden.» Der ebenfalls katholische Verkehrsminister Jose Blanco betonte zwar, dass Abtreibung eine Sünde sei, sprach sich aber dafür aus, dass sie nicht weiter eine Straftat bleiben dürfe.
Andere Politiker wie Gesundheitsministerin Trinidad Jimenez stellten in Frage, ob Camino überhaupt für die gesamte Kirche gesprochen habe. Deren Ablehnung der Pläne sind jedoch allgemein bekannt und wurden verschiedentlich wiederholt.

Kritik formulierte jüngst auch die Opposition in Person von Mariano Rajoy an dem Vorhaben der sozialistischen Regierung. Er äußerte sich, nachdem unlängst rund eine Million Spanier in Madrid gegen die Liberalisierung der Abtreibungsgesetze demonstriert hatten. Rajoy kündigte an, seine Partei PP werde gegen den Entwurf stimmen und sich stattdessen für Familien-Hilfsprogramme einsetzen.

Auch zahlreiche christliche Vereinigungen fordern mehr finanzielle und soziale Unterstützung von (werdenden) Müttern, statt Abtreibung zu erleichtern. «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich eine große Mehrheit der zweifelnden Frauen schließlich für das Kind entscheidet, wenn sie spüren, dass sie unterstützt werden», sagt etwa Benigno Blanco, Präsident des spanischen Familienforums.
Katholischen Parlamentariern, die für die Abtreibungsreform stimmen wollten, mit dem Ausschluss von der Kommunion zu drohen, hält er für logisch. «Wer freiwillig zur Kirche gehören will, muss auch deren Regeln befolgen.»