Integrationsbeauftragte und Islamvertreter begrüßen Urteil im Marwa-Prozess

Lebenslange Haft

Im Prozess um den tödlichen Messerangriff auf die Ägypterin Marwa El-Sherbini ist der Täter Alex W. am Mittwoch wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Bundesintegrationsbeauftragte Maria Böhmer
und Islamvertreter begrüßten das Urteil.

 (DR)

Die Schwurgerichtskammer am Dresdner Landgericht stellte eine besondere Schwere der Schuld des Täters fest. Eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren ist damit ausgeschlossen. Der Verteidiger des Angeklagten will möglicherweise in Berufung gehen. Die Urteilsverkündung wurde von einem großen Medienaufgebot und vielen Muslimen verfolgt.

Die Mordmerkmale der Heimtücke und der niederen Beweggründe seien erfüllt, sagte die Vorsitzende Richterin Birgit Wiegand. Der 28-jährige Russlanddeutsche habe sein Messer ganz bewusst heimlich aus dem Rucksack geholt und sein arg- und wehrloses Opfer völlig überraschend angegriffen. Sein Tatmotiv sei Hass aus Ausländer, insbesondere auf Muslime. Diese Einstellung ziehe sich wie ein «roter Faden» durch sein Leben, sagte Wiegand weiter.

Der Spätaussiedler hatte die 31-jährige Ägypterin am 1. Juli mitten in einer Verhandlung am Dresdner Landgericht angegriffen und mit mindestens 16 Messerstichen getötet. Ihr Ehemann überlebte mit lebensgefährlichen Verletzungen. Alex W. wurde daher auch wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Er hatte die Ägypterin 2008 mit islamfeindlichen Äußerungen beschimpft und musste sich daraufhin wegen Beleidigung vor Gericht verantworten.

Das Gericht war von der vollen Schuldfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt überzeugt. Es gebe keine Anhaltspunkte für Wahnvorstellungen oder andere psychische Erkrankungen, erklärte Richterin Wiegand. Der Angeklagte sei seit seiner Übersiedlung nach Deutschland 2003 auch nicht deswegen behandelt worden. Dass er depressiv wirke, liege an seinen Lebensumständen.

Die Richterin ging auch auf Informationen russischer Behörden ein, wonach W. im Jahr 2000 wegen des Verdachts auf «undifferenzierte Schizophrenie» unter Beobachtung gestellt wurde. Es gebe dazu keine weiteren Details. Auch der Angeklagte und seine Familienangehörigen hätten sich dazu nicht geäußert.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Staatsministerin Böhmer, bezeichnete das Urteil als ein «wichtiges Signal für die Menschen in Ägypten und anderen Teilen der arabischen Welt». Die Botschaft laute, «für Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie ist kein Platz in unserem Land». Solche Gewaltverbrechen würden in Deutschland mit aller Konsequenz bestraft.

Unter den Zuschauern des Prozesses befanden sich der ägyptische Botschafter, Ramzy Ezzeldin Ramzy, und der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Ayyub Axel Köhler. Köhler zeigte sich nach dem Urteil erleichtert. Er sei stolz auf die unabhängige Justiz in Deutschland, sagte er dem epd. «Nun müssen wir hoffen, dass sich so etwas nicht wiederholt.» Politiker müssten endlich das Thema Islamfeindlichkeit auf die Tagesordnung setzen und gegen «diese starken Tendenzen» auch Maßnahmen ergreifen.

Vor dem Gericht protestierten zudem Dutzende muslimische Anhänger der Braunschweiger Initiative «Einladung zum Paradies». Sie forderten unter anderem ein Verbot «antiislamischer Hetze».

Verteidiger Michael Sturm erklärte nach der Urteilsverkündung, die Einlegung von Rechtsmitteln läge «sehr nah». Sturm hatte das Verbrechen in seinem Plädoyer am Vortag als Affekttat bewertet. Er verwies zudem auf eine «paranoide Bewusstseinsstörung» bei seinem Mandanten, die eine verminderte Schuldfähigkeit zur Folge habe. Sturm plädierte deswegen auf Totschlag und versuchten Totschlag mit einer begrenzten Haftdauer für den Täter. Der Verteidiger muss nach eigenen Angaben innerhalb einer Woche entscheiden, ob er vor dem Bundesgerichtshof in Revision geht.

Bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe kann nach frühestens 15 Jahren ein Antrag auf Entlassung gestellt werden. Besteht eine besondere Schwere der Schuld, ist der Antrag erst später möglich.