Jerusalemer Patriarch zu den Frustrationen im Friedensprozess

"Hoffnung kommt nicht von Politikern"

Eine Lösung im Nahost-Konflikt scheint derzeit viel ferner als noch vor wenigen Monaten erhofft. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erläutert der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Fouad Twal, wo für ihn die Chance zum Frieden liegt, und warum der Papst-Besuch im Heiligen Land so wenig bewirken konnte.

Fouad Twal: Der Lateinische Patriarch von Jerusalem (KNA)
Fouad Twal: Der Lateinische Patriarch von Jerusalem / ( KNA )

KNA: Seligkeit, der Heilig-Land-Besuch von Papst Benedikt XVI. im Frühjahr war von großen Hoffnungen begleitet. Was ist daraus geworden?

Twal: Wir haben vor der Reise auf eine Besserung gehofft, wir haben während der Reise gehofft, und wir haben nach der Reise gehofft. Aber von Seiten der israelischen Regierung ist kein Zeichen gekommen, keine Geste, keine Erleichterung. Benedikt XVI. hat so gute, so inhaltsvolle Ansprachen gehalten. Uns Christen hat er gestärkt. Er kam hierher als Mann des Gebets, des Dialogs, des Friedens. Aber in politischer Hinsicht hat sich seitdem nicht das Geringste geändert. Wir warten also weiter.

KNA: Was hält die israelischen Behörden etwa davon ab, ohne Probleme Visa für katholische Geistliche auszugeben?
Twal: Ich kann die Regierung nur ermuntern, keine Angst vor uns als Kirche zu haben. Wir sind ein Faktor der Versöhnung, eine Stimme für Gerechtigkeit und Frieden, eine Brücke für mehr Toleranz und mehr Beziehungen untereinander. Vor uns braucht niemand Angst zu haben.

KNA: Große Friedenshoffnungen haben viele im Nahen Osten vor gar nicht langer Zeit auch in US-Präsident Barack Obama gesetzt.

Twal: Denken Sie nur an Obamas große Reden, im Vatikan etwa und in Kairo. Damals haben wir gedacht: Nun muss sich einfach etwas verändern. Doch nach und nach ist die amerikanische Haltung immer weicher geworden.

KNA: Wo also ist die Figur oder die Konstellation, die Frieden bringt?

Twal: Ich habe inzwischen die Sorge, dass die Menschen hier mehr Angst vor dem Frieden haben als vor dem Krieg. Dennoch glaube ich nach wie vor, dass eine so radikale israelische Regierung eher in der Lage ist, den großen Schritt zu tun, als eine liberalere. Aber wissen Sie: Wenn der Papst es nicht geschafft hat und nicht ein Präsident der USA mit einem solchen Hoffnungs-Potenzial, von welcher irdischen Instanz sollten wir dann ein politisches Heil erwarten?

Hoffnung kommt nicht von Politikern, Hoffnung kommt nicht von Raketen, sondern von der frohen Botschaft von Frieden und Versöhnung. Für uns Christen liegt das Heil im Evangelium. Haben Sie am Montag die Bilder aus Berlin gesehen, wie die Mauer aus Dominosteinen fiel? Sie hätten mal Außenminister Avigdor Lieberman einladen sollen, sich das anzuschauen. Eine vertane Chance, leider.

KNA: Sie sehen also derzeit wenig Chancen auf Frieden im Heiligen Land...

Twal: Bei uns ist leider immer nur von Land die Rede und gar nicht vom «heiligen». Jerusalem ist der Schlüssel für Krieg oder Frieden in der gesamten Region. Und alles, was wir brauchen, ist ein normales Leben. Normales Leben, das bedeutet: Gesundheitsversorgung, zur Schule gehen, studieren, zum Flughafen können, Verwandte besuchen. Israel hat alle seine Kriege mit den arabischen Ländern gewonnen. Sie haben dieses «normale Leben». Warum gewähren sie es nicht auch den anderen?

KNA: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat einen letzten Trumpf gezogen und droht, bei der nächsten Wahl nicht wieder zu kandidieren. Ein Zeichen von Resignation oder politisches Druckmittel?

Twal: Ich kann ihn so gut verstehen! So einen gemäßigten und dialogbereiten Präsidenten werden wir nie mehr bekommen. Worauf warten die Israelis denn bloß? Auf den nächsten Radikalen? All die guten Initiativen: Road Map, Nahost-Quartett - alles wirkungslos verpufft. Aber mit militärischen Optionen ist kein Frieden zu bekommen. Mit Radikalismus ist kein Frieden zu bekommen. Eine Partei allein wird nie Frieden genießen können. Es ist Zeit für einen Wandel. Wir können nur darauf hoffen - und die guten Initiativen bestärken.

Das Interview führte Alexander Brüggemann.