Karnevalsexperte Oelsner über jecke Töne im Totenmonat November

"Beim lieben Gott geht es fröhlich zu"

Die Karnevalssession hat begonnen. Über den 11.11. mitten im Totenmonat November äußerte sich der Karnevalsexperte, Buchautor und Kinderpsychologe Wolfgang Oelsner am Dienstag im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur. Über den guten Draht der Kirche zu Karvenal haben auch Kardinal Meisner und Willibert Paules etwas zu sagen (Audio).

 (DR)

KNA: Herr Oelsner, am 11.11. - mitten im Totenmonat November - beginnt die neue Karnevalssession. Passen jecke Töne und Totengedenken überhaupt zusammen?

Oelsner: Ja. Der Kölner Karneval weicht dem Tod nicht aus. Im Gegenteil. In einer Fülle von Liedern ist vom letzten Stündlein und vom Jenseits die Rede. In der mundartlichen Diktion klingt das aber nicht bedrohlich.

KNA: Können Sie Beispiele nennen?
Oelsner: Im Lied «Im Himmel is d'r Deifel los» werden alle Verstorbenen aufgezählt, die Karneval mitfeiern. Und in der Ostermann-Strophe «Un deiht d'r Herrjott mich ens rofe» wird Petrus schon mal darum gebeten, einen guten Platz im Himmel zu reservieren - mit Blick auf den Dom. Dieses «per du»-Sein mit Petrus hat doch etwas ungemein Tröstliches.

KNA: Ist Humor der richtige Umgang mit Trauer?
Oelsner: Warum nicht? Das ist doch eine gute Art, mit Ängsten umzugehen. Kleine Kinder zum Beispiel schlüpfen auch gerne in die Rolle eines Gespenstes. Dann sind sie nicht mehr Opfer des Schreckens, sondern machen sich als handelnde Personen mit dem Ungeheuren vertraut. Damit ist das Böse nicht mehr ganz so bedrohlich. Und wenn die Kameraden eines verstorbenen Karnevalsfreundes in ihrer Uniform zum Begräbnis kommen, zeigt das, dass man auf dem letzten Weg nicht allein bleiben muss.

KNA: Gibt es einen inneren Zusammenhang zwischen Karneval und Tod?
Oelsner: Durchaus. Im Mittelalter wurde der Tod oft als Narr dargestellt und umgekehrt. Die theologische Botschaft lautete:
Mensch, sei kein Narr, verspiel nicht dein letztes Stündlein und sterbe nicht unvorbereitet. Aber weil wir Menschen nun mal auch Triebhaftes in uns haben, hat die Kirche gut reagiert: Man lebt die Narrheit für eine umgrenzte Zeit aus - um sie im Aschermittwoch zu überwinden.

KNA: Kein Karneval ohne Christentum?
Oelsner: Genau. Ohne das anschließende Fasten macht Karneval wenig Sinn.

KNA: Kann man sich das Jenseits als Karnevalsparty vorstellen?
Oelsner: Nicht gerade als Party. Aber dass es beim lieben Gott fröhlich zugeht, ist doch eine schöne Vorstellung. Das ist durchaus auch kindlich, doch als Narren dürfen wir der Welt noch mal mit kindlichem Gemüt begegnen.

Das Interview führte Veronika Schütz.