Regierungserklärung von Angela Merkel vor dem neuen Bundestag

"Freiheit in Verantwortung"

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellt ihre zweite Amtszeit unter das Motto "Freiheit in Verantwortung" und hat den Kampf gegen die Folgen der Wirtschaftskrise zu einer der wichtigsten Aufgaben der kommenden vier Jahre erklärt. "Deutschland befindet sich in der schwersten Rezession seiner Geschichte", umriss Merkel am Dienstag in Berlin in ihrer ersten Regierungserklärung vor dem neuen Bundestag die Ausgangslage für Schwarz-Gelb. Am 28. Oktober hatte die christlich-liberale "Koalition der Mitte" ihre Arbeit aufgenommen.

 (DR)

Fünf zentrale Aufgaben werden laut Merkel das Regierungshandeln bestimmen: die Finanz- und Wirtschaftskrise überwinden, das Verhältnis der Bürger zum Staat verbessern, die Herausforderungen des Altersaufbaus annehmen, einen zukunftsfesten Umgang mit Ressourcen gestalten und ihm einen globalen Ordnungsrahmen geben sowie die Freiheit und Sicherheit angesichts der neuen Bedrohungen festigen. Deutschland stehe vor einer Bewährungsprobe wie seit der deutschen Einheit nicht mehr.

"Die Probleme werden erst noch größer, bevor es wieder besser werden kann", sagt die Kanzlerin mit Blick auf einen prognostizieren Abschwung 2009 und einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit. Dabei gehe es nicht allein um die deutsche Volkswirtschaft, sondern um die globale Wirtschaft, mahnte Merkel. Hier würden "die Karten neu gemischt". Deutschland müsse die Chancen ergreifen, um gestärkt aus der Krise herauskommen.

Wichtigster Ansatzpunkt für Merkel ist dabei ein starkes wirtschaftliches Wachstum. Vor diesem Hintergrund erteilte die Kanzlerin allen Forderungen nach Senkung der Staatsausgaben eine klare Absage. Dies würde die "größte Kürzung- und Streichungsaktion" bedeuten. "Ich glaube, jede Diskussion über einen solchen Weg erübrigt sich."

Vielmehr wolle man zum 1. Januar 2010 die Bürger um 22 Milliarden Euro entlasten, unterstrich Merkel. Geplant seien ferner weitere Steuersenkungen ab 2011. Hier wolle die Koalition den Einkommenssteuertarif zu einem Stufentarif umbauen sowie "leistungsfeindliche Elemente" wie der sogenannte Mittelstandsbauch abschaffen. Das soll dazu beitragen, das Verhältnis von Staat und Bürgern zu verbessern.

Bei der Weiterentwicklung des Arbeitsmarktes kündigte Merkel an, dass unter Schwarz-Gelb die befristeten Beschäftigungsverhältnisse erleichtert sowie Mindestlöhne nicht flächendeckend eingeführt werden. Das Prinzip der betrieblichen Mitbestimmung und die Tarifautonomie sollen aber nicht angetastet werden. Zudem soll bei Arbeitslosen das Prinzip des Förderns und Forderns verstärkt werden.

Zur dritten Hauptaufgabe sagte Merkel, bis 2020 werde Deutschland 3,5 Millionen Menschen weniger haben bei gleichzeitigem Anstieg der Gruppe der über 65-Jährigen. Das werde Auswirkungen auf Sozial- und Rentensysteme haben. Es würden nicht länger "reflexartige Diskussionen" gebraucht, wenn es um die Entkopplung der Kosten der sozialen Sicherheit gehe. Bei der Pflegeversicherung werde eine kapitalgedeckte "Ergänzung" geschaffen.

Zur Erfüllung der vierten Aufgabe gehört nach den Worten von Merkel ein Erfolg bei der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen Ende des Jahres. In Deutschland setze Schwarz-Gelb zum Klimaschutz auf einen Energiemix, wobei die Kernenergie "für eine Übergangszeit" unverzichtbarer Teil bleibe. Daher solle die Laufzeit deutscher Kernkraftwerke verlängert werden. An die Grünen gewandt fügte sie hinzu, auf Kohle als Energieträger werde ebenfalls nicht verzichtet.

Die fünfte Hauptaufgabe schließlich ist laut Merkel nur durch eine "Weiterentwicklung der Sicherheitsarchitektur" zu meistern. Dazu gehöre auch der militärische Beitrag Deutschlands zur internationalen Sicherheit wie der "Kampfeinsatz" in Afghanistan, der allerdings in eine "neue Phase" treten müsse. Und mit dem EU-Reformvertrag von Lissabon werde auch die Europäische Union "weltweit ihre Interessen entschiedener vertreten" können.