Rheinischer Präses Schneider im Porträt

Als Vorposten Gottes nahe bei den Menschen

Die Stimmung ist herzlich. "Ich kenne Niko Schneider schon lange und freue mich sehr", sagt die frisch gewählte Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, über ihren soeben gekürten Stellvertreter. Der teilt die Vorfreude auf die Zusammenarbeit an der EKD-Spitze, "weil wir große inhaltliche Übereinstimmungen haben", und lobt Käßmanns "weltoffene Klugheit, theologische Klarheit und freundliche Verbindlichkeit".

Autor/in:
Ingo Lehnick
 (DR)

Wie beliebt und anerkannt neben der Ersten Frau im deutschen Protestantismus auch Nikolaus Schneider, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, in der evangelischen Kirche ist, zeigen seine Wahlergebnisse auf der EKD-Synode in Ulm. Die Wiederwahl in den Rat, dem er seit 2003 angehört, gelang dem 62-jährigen Theologen am Dienstag bereits im zweiten Wahlgang - nach Käßmann, aber deutlich vor den anderen leitenden Geistlichen, die bei der Mammut-Abstimmung teilweise stundenlang zittern mussten oder entnervt das Handtuch warfen.

Und bei seiner Wahl zum Käßmann-Vize schnitt Schneider am Mittwoch mit 137 von 142 Stimmen sogar noch besser ab als die Bischöfin der hannoverschen Landeskirche, die 132 Ja-Stimmen erhielt. Für Schneider wich die EKD auch von der Praxis ab, den zweiten Spitzenposten im Rat mit einem leitender Geistlichen aus den ostdeutschen Landeskirchen zu besetzen.

Für Schneiders Popularität gibt es Gründe. Persönliche Eitelkeiten und Ambitionen liegen dem warmherzigen, teamorientierten Theologen eher fern, der aus einfachen Verhältnissen stammt. Der ehemalige Wirtschaftsstudent gilt als bodenständiger Mahner, der sich mit profilierten Äußerungen zu sozialethischen Fragen einen Namen gemacht hat. Er sorgt sich um die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, geißelt eine «egoistische Abzockermentalität» unter Managern und sieht in der Finanzkrise auch eine Folge von «kapitalistischem Größenwahn».

Die Menschenwürde wahren, Armut und Arbeitslosigkeit verringern: Der Sohn eines Duisburger Stahlarbeiters blieb in seinen kirchlichen Spitzenämtern den Themen treu, die ihn schon als jungen Mann herausforderten. «Nahe bei den Menschen sein» lautet ein Lieblingsmotto des fußballbegeisterten Theologen, das er auch nach seiner Wahl am Mittwoch hervorhob: «Kirche ist nicht um ihrer selbst willen da, sondern Kirche ist der Vorposten Gottes in der Welt und nahe bei den Menschen, das muss man spüren.»

Schon als Pfarrer und Superintendent in Duisburg und Moers zeigte sich Schneider als Vertreter einer sozial engagierten Kirche, die sich von der «Leidenschaft Gottes für die Schwachen» leiten lässt. Beim Umbau des Sozialstaates müssten die Lasten gerecht verteilt werden, fordert er immer wieder und warnt, der Kampf gegen Armut habe mit Hartz IV die Mitte der Gesellschaft erreicht. In den 70er Jahren stand er an der Seite der Bergleute und Stahlkocher, die um ihren Arbeitsplatz bangten - das trug ihm seinerzeit die Hans-Böckler-Medaille des DGB ein.

Es sei ein Skandal, dass «auf dem Hochaltar des Shareholder-Value tausende Arbeitsplätze geopfert werden, um die Götzen Aktienkurs und Dividende gnädig zu stimmen», schrieb Schneider Politikern, Managern und Wirtschaftsweisen schon vor der Finanzkrise ins Stammbuch. Das Thema Gerechtigkeit beschäftigt ihn seit 2005 auch als Aufsichtsratsvorsitzender des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED), außerdem ist er seit Februar Vorsitzender des Diakonischen Rates der EKD.

Geboren wurde Schneider am 3. September 1947 in Duisburg. Nach dem Theologie-Studium in Wuppertal, Göttingen und Münster wurde er 1976 Gemeindepfarrer in Duisburg-Rheinhausen und 1984 Diakoniepfarrer im Kirchenkreis Moers, ab 1987 war er dort Superintendent. Nach dem Wechsel ins Düsseldorfer Landeskirchenamt 1997 war Schneider zunächst als Vizepräses für die über 2.000 Theologen der rheinischen Kirche zuständig. Im Januar 2003 wählte ihn die Landessynode dann als Nachfolger von Manfred Kock zum Präses.

Wichtigster persönlicher Rückhalt ist seine Frau Anne, mit der er seit 1970 verheiratet ist. Ein schwerer Schlag für die Eheleute Schneider war Anfang 2005 der Tod ihrer Tochter Meike. Die jüngste der drei Töchter starb im Alter von 22 Jahren an Leukämie. Die Eltern veröffentlichten anschließend Meikes Krankheits-Tagebuch und setzten sich in einem eigenen Buch mit dem Zusammenhang von Leid, Leben und Glauben auseinander.

Die Rolle als Vize im neuen EKD-Rat dürfte Schneider liegen.
Führung bedeutet in seinen Augen nicht in erster Linie, die Richtung vorzugeben, sondern gemeinsam nach dem richtigen Weg zu suchen. Das ist in der lebendigen rheinischen Landeskirche, mit 2,9 Millionen Mitgliedern die zweitgrößte in Deutschland, nicht immer leicht. Wie wichtig Schneider diese Haltung auch in der EKD ist, zeigt seine erste Reaktion auf seine Wahl, in der er neben Käßmann auch die EKD-Gremien nannte: Er freue sich auf die Zusammenarbeit im «toll zusammengesetzten» neuen Rat und in der Kirchenkonferenz, der föderalen Vertretung der EKD.