Teils herbe Kritik am Koalitionsvertrag

Sozialverbände, Familienorganisationen und Kirche

Sozialverbände, Familienorganisationen und Kirche haben unterschiedlich auf die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags zwischen Union und FDP am Montag reagiert. Im Zentrum standen die Frage nach sozialer Gerechtigkeit, die Situation der Kinder und der Erhalt des Entwicklungsministeriums.

 (DR)

Eine Verschärfung der sozialen Spaltung warf die Katholische Arbeitnehmer Bewegung (KAB) den Koalitionsparteien vor. Deren Bündnis richte die soziale Marktwirtschaft neoliberal aus, erklärte der Sozialverband in Köln. Die angekündigte Steuerpolitik sei ungerecht, da "selbst bei Entlastungen unterer Einkommensgruppen der Stufentarif in den oberen Einkommensschichten zu überproportionalen Steuerersparnissen führen wird." Der Vertrag sei ein "Katalog der Grausamkeiten", der Arbeitnehmer, Rentner und vor allem Arbeitssuchende stärker belaste.

Union und FDP wollten das gesetzliche Sozialversicherungssystem radikal umbauen und Lebensrisiken privatisieren, hieß es weiter. Die KAB befürchtet zudem eine Zweiklassen-Medizin und kritisierte, Schwarz-Gelb wolle die Arbeitgeber aus der paritätischen Finanzierung der Sozialsysteme entlassen. Besonders verurteilte die KAB die Weigerung der Koalition, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen.

Der Deutsche Familienverband zeigte sich enttäuscht über die vereinbarten Entlastungen für Familien. Da laut Bundesverfassungsgericht Kosten für Kinder nicht besteuert werden dürften, müssten die Freibeträge auf mindestens 8.000 Euro angehoben werden, so der Verband in Berlin. Laut Koalitionsvertrag wollen Union und FDP den Steuerfreibetrag auf 7.008 Euro und das Kindergeld um 20 Euro anheben.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband bezeichnete den Koalitionsvertrag als "zeitgemäße Agenda", die fast alle wesentlichen Themen erfasse. Er bemängelte jedoch "deutliche Lücken im Bereich der Armutsbekämpfung" und warnte vor einer Privatisierung sozialer Risiken. Nichts könne darüber hinwegtäuschen, dass das Thema Kinderarmut "komplett ausgeblendet wird", so Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider in Berlin.

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) forderte in Köln, den Kampf gegen die Kinderarmut in Deutschland umfassender anzugehen. Steuererleichterungen und die Erhöhung des Kindergeldes freuten zwar viele Familien, so die Geschäftsführerin von UNICEF Deutschland, Regine Stachelhaus. "Sie können aber das Problem der Kinderarmut nicht lösen." UNICEF begrüßte jedoch das Koalitionsvorhaben, die Vorbehaltserklärung Deutschlands zur UN-Kinderrechtskonvention zurückzunehmen. Sie erlaubt es, deutsche und ausländische Kinder bei der Umsetzung ihrer Rechte unterschiedlich zu behandeln.

Die Deutsche Kommission Justitia et Pax der katholischen Kirche zeigte sich erfreut über den Erhalt des Entwicklungsministeriums. Die bewährte Kooperation von kirchlichen und gesellschaftlichen Partnern könne so weiter umgesetzt werden, hieß es in Bonn. Auch der Hamburger Erzbischof Werner Thissen begrüßte den Erhalt des Ministeriums. Er ist Beauftragter der Bischofskonferenz für das Hilfswerk Misereor.