Die schwarz-gelbe Koalition erklärt ihren Kurs für vier Jahre

Nüchternheit hier, Glücksgefühle dort

Pomp und Pathos sind Angela Merkels Sache nicht. So nüchtern, als habe sie ganz normale Arbeitssitzungen der Bundesregierung hinter sich, präsentiert die amtierende und künftige Kanzlerin am Samstag den Koalitionsvertrag. Drei Wochen lang haben die Spitzen von CDU, CSU und FDP verhandelt, zum Schluss in durchaus "harten Gesprächen", wie CSU-Chef Horst Seehofer zugibt.

Autor/in:
Jutta Wagemann
 (DR)

Doch Merkel muss einen Balanceakt hinlegen, der ihr gerade durch ihren Ernst gelingt: Sie kann die vergangenen vier Jahre nicht in Bausch und Bogen verdammen. Ein bisschen nach Neuanfang soll es sich jetzt aber anfühlen. Daher attestiert sie der großen Koalition rückblickend, mutige Wege gegangen zu sein. Die Präambel des schwarz-gelben Koalitionsvertrags beginnt dennoch mit den Worten: "Wir stellen den Mut zur Zukunft der Verzagtheit entgegen." Aus Merkels Perspektive ist das für sie "ein kontinuierlicher Weg und trotzdem ein Neuanfang".

Ganz anders Guido Westerwelle. Der 47-Jährige steht als designierter Außenminister vor dem Höhepunkt seiner politischen Karriere und kann sein Glück offenbar noch gar nicht fassen. Bestens gelaunt betont er mehrfach, dass "die Dinge neu beginnen". Einen "wirklichen Aufbruch" verspürt der FDP-Chef.

Fröhlich frotzelt Westerwelle mit Seehofer, den er seit Samstagfrüh 2.15 Uhr duzt, wie er gleich zu Beginn des öffentlichen Auftritts des Führungstrios einfließen lässt. 2.12 Uhr waren die Koalitionäre mit der Arbeit fertig, dann wurde ein Gläschen getrunken, erzählt Seehofer. Dann Guido und Horst. "Erst die Arbeit, dann das Spiel", kommentiert der bayerische Ministerpräsident mit breitem Lächeln. Es bleibt der Eindruck, dass die beiden Parteivorsitzenden selbst überrascht sind, wie gut sie sich verstanden haben.
Die Späßchen der beiden Männer an ihrer Seite macht Merkel nicht mit. Personifizierte Verantwortung in der Wirtschaftskrise, so sitzt die Kanzlerin da. Ihr Versprechen, dass während der gesamten Legislaturperiode, also bis 2013, keine Steuern erhöht würden, gelte. Doch viele Zahlen nennen weder sie noch ihre Kompagnons. Auch der 124-Seiten-dicke Koalitionsvertrag strotzt nicht vor Zahlen. Vieles bleibt im Ungefähren, auch wenn Merkel betont: "Wir haben ein inhaltsreiches Werk vorgelegt", und Seehofer von einem "guten Kursbuch" spricht.

Doch dem bayerischen Ministerpräsidenten vergeht das Lächeln, wenn er mit Fragen zur Gesundheitspolitik gepiesackt wird. Ab 2011 will die Koalition ein System einführen, dass stark an die einst von der CDU favorisierte Kopfpauschale erinnert - 2004 war Seehofer wegen dieser Politik als stellvertretender Fraktionsvorsitzender zurückgetreten.

Wie so vieles im Koalitionsvertrag lassen die Vereinbarungen zur Gesundheitspolitik viele Lesarten zu. So betont Seehofer: "Bei der Gesundheit ändert sich erst einmal gar nichts." Da lächelt er wieder.
Die geplante Regierungskommission werde sich mit diesen Fragen beschäftigen. Da müsse man die Ergebnisse abwarten. Und der soziale Ausgleich bei den künftigen einkommensunabhängigen Kassenbeiträgen sei ein ganz wichtiger Punkt - von Seehofer persönlich mitformuliert, darauf legt er Wert.

Die Wächter des Sozialstaats, die Sozialverbände, Diakonie und Caritas und die Kirchen, sind allerdings längst in Habachtstellung gegangen. Als die Koalitionäre am Freitag die Leitlinien der künftigen Gesundheitspolitik vorstellten, kamen die Reaktionen prompt - und fielen kritisch bis entsetzt aus. Nur die Arbeitgeber und privaten Krankenversicherungen zeigten sich erfreut.

Am Montagabend wollen die Spitzen von CDU, CSU und FDP den Koalitionsvertrag feierlich unterzeichnen. Fragen und Kritik sind dabei nicht vorgesehen. Eher wohl Pathos, ein wenig zumindest.