Die Menschenrechtskommission ist in Artikel 14 der ASEAN-Charta festgeschrieben, die im Dezember 2008 von den Mitgliedstaaten ratifiziert worden war. Trotzdem wird das neue Gremium nicht nur mit Hoffnung, sondern auch mit großer Skepsis beäugt. Kritiker sehen in ihr einen Tiger, der vorsätzlich zahnlos gelassen wurde.
Die Menschenrechtskommission hat drei große Schönheitsfehler. Erstens beruht sie ausdrücklich auf dem Prinzip der ASEAN-Staaten der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten seiner Mitglieder. "Dadurch ist der Kommission von vorneherein die Möglichkeit genommen, sich aktiv um Menschenrechtsverletzungen in einzelnen ASEAN-Staaten zu kümmern", klagt David Mathieson, in Bangkok lebender Repräsentant der Organisation Human Rights Watch: "Vom Hausarrest für Aung San Suu Kyi bis zu den massenhaften Zwangsumsiedlungen von Slum-Bewohnern in Phnom Penh deklarieren die Regierungen doch jede Menschenrechtsverletzung als innere Angelegenheit."
Problem Konsensprinzip
Das zweite Problem ist das Konsensprinzip der ASEAN-Staaten. Jeder von ihnen entsendet einen Vertreter in die Kommission. Dieser kann verhindern, dass Menschenrechtsverletzungen in seinem Land untersucht werden. Zudem sind selbst Konsensentscheidungen in der Vergangenheit oft folgenlos geblieben. Nur 30 Prozent der ASEAN-Beschlüsse sind laut Untersuchungen auch tatsächlich umgesetzt worden.
Einigt sich die Kommission auf die Prüfung möglicher Menschenrechtsverletzungen - und das ist der dritte Schönheitsfehler - bleiben die Untersuchungsergebnisse folgenlos. Das Gremium hat nicht das Recht, gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen.
Keines der zehn ASEAN-Länder hat eine reine Menschenrechts-Weste und nur vier von ihnen haben nationale Menschenrechtskommissionen. Im kommunistischen Vietnam haben Religionen, einschließlich einiger auf Unabhängigkeit vom Staat pochender Zweige des Buddhismus, einen schweren Stand. In Kambodscha macht die zunehmend autoritäre Regierung Kritiker in Oppositionsparteien und Medien mit Hilfe einer willfährigen Justiz mundtot. Indonesien unterdrückt die indigenen Einwohner von Westpapua. Mit Duldung von Polizei und Militär werden in Cebu, Davao und anderen Städten der Philippinen angebliche Kriminelle von bezahlten Gangs auf offener Straße erschossen. Der Lackmus-Test für die ASEAN-Menschenrechtskommission aber wird ihr Umgang mit dem Mitgliedsland Birma sein.
"Neue Normen und Werte"
Die Hoffnung, durch die Aufnahme Birmas in den Staatenbund vor elf Jahren werde sich die Junta langsam einem demokratischen Prozess öffnen, hat sich nicht erfüllt. Die Generäle in Rangun erweisen sich immun gegen jede Art von internationalem Einfluss. Zudem haben die Prinzipien des Konsenses und der Nichteinmischung eine klare ASEAN-Birma-Politik verhindert. Das einzige, worauf ASEAN hoffen könne, sei, dass die neue Kommission den Herrschern in Birma "neue Normen und Werte" nahebringen könne, schreibt Pavin Chachavalpongpun, Wissenschaftler am Asean Studies Centre Singapur am Freitag in der Tageszeitung "The Straits Times".
Welche Möglichkeiten aber hat die Menschenrechtskommission, wenn sie mehr als ein zahnloser Tiger sein will? Das werde ganz von ihr selbst abhängen, meint Homayoun Alizadeh, Vertreter der Menschenrechtskommission der Vereinten Nation in Südostasien: "Sie wird hart daran arbeiten müssen, sich selbst als glaubwürdigen regionalen Mechanismus zu etablieren und dazu beizutragen, die Lücke zwischen Menschenrechtsrhetorik und der Wirklichkeit vor Ort zu schließen."
ASEAN-Menschenrechtskommission nimmt seine Arbeit auf
Mehr als ein zahnloser Tiger?
An diesem Wochenende schauen die Menschen der zehn südostasiatischen ASEAN-Staaten hoffnungsvoll nach Thailand. Im Badeort Hua Hin sind die Staats- und Regierungschefs zu ihrem jährlichen Gipfel zusammenkommen, auf dem die neue "ASEAN Intergovernmental Commission on Human Rights" (AICHR) vorstellt wurde. Ein klareres Bekenntnis zu den Menschenrechten hat es von den Staaten der Region zuvor nie gegeben.
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