Reportage: Afghanistans Armee kämpft gegen die Taliban und gegen Ausbildungsmängel

"Ein Löwe hat keine Angst"

Der afghanische Oberstleutnant Hajatullah spornt seine Soldaten an. "Das schaffst du", ruft er einem Rekruten zu, der mit verbundenen Augen ein Maschinengewehr russischer Bauart zerlegt und wieder zusammensetzt. Im Hintergrund schaut ein Oberfeldwebel der Bundeswehr "seinen" Schützlingen über die Schulter und korrigiert da, wo es notwendig ist. Noch ist die 1. Kompanie des 1. Kandak im nordostafghanischen Faisabad. Doch in kurzer Zeit schon werden sie ihre Kameraden unterstützen, die seit mehr als zwei Monaten im Raum Kundus gegen die Taliban kämpfen.

Autor/in:
André Spangenberg
 (DR)

«Es gibt nichts Sinnvolleres als die OMLTs, um die afghanische Armee bei ihrem Aufbau zu begleiten», sagt der Chef des OMLT-Teams in Faisabad, Bundeswehr-Oberstleutnant Uwe Losch. OMLT steht dabei für Operational Mentoring and Liaison Teams, also operative Berater- und Verbindungsgruppen, die der afghanischen Armee im Aufbau eng zur Seite stehen. Die jeweils vierköpfigen OMLTs begleiten «ihre» Einheiten bis hin in die Einsätze.

Dass diese «Begleitung» mehr als nur graue Theorie umfasst, mussten die deutschen OMLT-Berater erst vor wenigen Wochen erfahren. Teile des 1. Kandaks, das etwa einem Bataillon entspricht, wurden von Faisabad in die benachbarte Provinz Kundus verlegt. «Wir waren noch keine halbe Stunde da, schon standen wir im Gefecht», erinnert sich Losch.

Spätestens mit ihrem Kampfeinsatz hatten sich die deutschen OMLT-Soldaten den Respekt der afghanischen Einheit verdient. «Der Kampf schweißt zusammen», weiß Kandak-Kommandeur Hajatullah. Für ihn sind diese Gefechte nicht die ersten Auseinadersetzungen mit den Taliban. Seit mehr als 25 Jahren trägt er eine Uniform und war schon als Mujaheddin-Kommandeur im Kampf. Heute sagt er: «Ein Löwe kennt keine Angst.»

Diese Erfahrung haben auch die deutschen Militärberater am Hindukusch gemacht. Furchtlos seien die afghanischen Soldaten schon, doch fehle es zuweilen an umfassender Ausbildung, der richtigen Ausrüstung und logistischem Denken. Kurzfristige Operationen - ähnlich der Guerilla-Taktik im Feldzug gegen die Russen - steckten heute noch in den Köpfen vieler Kommandeure. So werde aus deutscher Sicht zuweilen zu schnell mit zu wenigen Kräften geplant - und die Operation zu früh abgebrochen. Genau hier liegt ein Ansatz der OMLT.

In Faisabad beraten die deutschen OMLT das Kandak von Hajatullah im Infanteriekampf. Schließlich begann erst vor 14 Monaten die Aufstellung des Bataillons - zunächst wurden Offiziere und Unteroffiziere eingestellt, vor einigen Monaten kamen die ersten Soldaten. Sie brachten eine dreimonatige Grundausbildung aus Kabul mit. «Mit der Waffe umgehen konnten sie, aber treffen eher nicht», sagt ein Ausbilder. So gehört auch eine gemeinsame Schießausbildung zum OMLT-Programm.

Immer wieder wird die Ausbildung durch Kämpfe unterbrochen. So schätzt Hajatullah das Verhältnis von Ausbildung und Einsatz auf 30 zu 70. Das sei noch «optimistisch», heißt es bei der Bundeswehr. Denn bei dem im Norden Afghanistan aufgestellten 209. ANA-Korps gebe es erst zwei Brigaden. Da werde bei Krisen auf alle verfügbaren Soldaten zurückgegriffen. So sind heute zwei Drittel von Hajatullas Soldaten in der Region Kundus im Kampf.

Dass die Afghanen ihr Land künftig selbst sichern können, davon ist der Kommandeur überzeugt. Noch aber sei jede Hilfe beim Aufbau der eigenen Sicherheitsstrukturen willkommen. «Gerade die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr ist sehr gut», sagt Hajatullah. Man kämpfe «gemeinsam gegen die Feinde Afghanistans». Für die Bundeswehr ist das das 2008 gestartete OMLT-Konzept die Basis einer «Exit-Strategie»: Die Hilfe soll dazu führen, dass die deutschen Soldaten ihren Auftrag beenden und das Land verlassen können.