Nach 27 Jahren verlässt Eberhard von Gemmingen Radio Vatikan

"Großen Abschiedsschmerz empfinde ich nicht"

Eberhard von Gemmingen hat 27 Jahre die deutschsprachige Abteilung von Radio Vatikan geleitet. In diesen Tagen beendet der 73 Jahre alte Jesuit seine Tätigkeit in Rom und kehrt nach Deutschland zurück. Im Interview spricht von Gemmingen über den nicht immer leichten Umgang mit seiner Berühmtheit, die Defizite vatikanischer Pressearbeit und die Schönheit der römischen Landschaft.

Autor/in:
Thomas Jansen
 (DR)

KNA: Pater von Gemmingen, Sie haben fast drei Jahrzehnte für Radio Vatikan gearbeitet. Was waren für Sie die Höhepunkte?
Gemmingen: Ein unvergessliches Ereignis war natürlich das Heilige Jahr 2000 - mit wahnsinnig vielen schönen Wallfahrten, Gottesdiensten, Feiern, Jubiläen und dem Weltjugendtag in der ewigen Stadt. Ein weiterer Höhepunkt, allerdings ein trauriger, war der Tod Papst Johannes Paul II. im April 2005. Da habe ich ja auch sehr viel für das Fernsehen kommentiert. Wenn ich daran zurückdenke, wie zu seiner Beerdigung Millionen von Menschen kamen, ohne Quartier, ohne Essen und Trinken und stundenlang anstanden, um den toten Papst zu ehren; und dann die Präsidenten aus der ganzen Welt - das war schon außerordentlich beeindruckend.

KNA: Sie haben ihre häufigen Fernsehauftritte angesprochen. Für viele Menschen hierzulande sind Sie mittlerweile das "deutsche Gesicht des Vatikan" geworden. Wie gehen Sie mit dieser Berühmtheit um?
Gemmingen: Zunächst einmal ist es mir wichtig, dass die katholische Kirche in den Medien vorkommt. Wenn auf Anfrage von Journalisten keiner von der Kirche den Mund aufmacht, dann wird sie in den Medien eben schlichtweg ignoriert. Und es gibt nicht viele hier im Vatikan, die Journalisten etwas sagen können, wollen und auch dürfen. So bin ich faktisch zum Vatikansprecher deutscher Sprache geworden, obwohl mich niemand dazu bestellt hat - für mich natürlich ein gewisses Problem.

KNA: Können Sie hierfür Beispiele nennen?
Gemmingen: Als kurz vor dem Tod Johannes Paul II. etwa eine Anfrage von Sabine Christiansen kam, habe ich zuerst den damaligen Medienbischof Friedrich Ostermann gefragt, ob ich das machen soll.
Die Antwort des Münsteraner Weihbischofs lautete: Bei so was muss man Ja sagen. Ähnlich war es beim Streit um die Piusbrüder. Da habe ich erst den Rottenburger Bischof Gebhard Fürst angerufen, ob ich in die Talkshow von Johannes B. Kerner gehen soll, oder ob er das nicht lieber selbst machen wolle. Aber Fürst sagte, ich soll das machen.

KNA: Sie sind bekannt für ihr offenes Wort. Haben Sie deshalb im Vatikan schon einmal Schwierigkeiten bekommen?
Gemmingen: Wirkliche Schwierigkeiten überhaupt nicht. Ich kann mir denken, dass der eine oder andere sich mal gefragt hat, wer mich denn dazu beauftragt hat, für den Vatikan zu sprechen. Aber die vielen positiven Rückmeldungen haben mich in meinem Tun immer wieder bestätigt. Einmal hat sich ein deutscher Bischof an den Vatikan gewandt, mit dem Anliegen, Gemmingen solle doch bitte zurückhaltender auftreten. Das wurde mir indirekt von hoher Stelle mitgeteilt. Aber die Ermahnung war so allgemein gehalten, dass ich gar nicht wusste, wie ich das nun zu verstehen hatte.

KNA: Wie könnte man die Medienarbeit des Vatikan aus ihrer Sicht verbessern?
Gemmingen: Ich denke der Vatikan bleibt ein gutes Stück hinter seinen Möglichkeiten zurück. Die vatikanische Homepage zum Beispiel ist ein wunderbares Archiv. Man findet dort wirklich wahnsinnig viele Schätze. Aber den Text der Ansprachen und Predigten, die der Papst gestern oder vorgestern gehalten hat, die sucht man vergeblich. Kurzum: Das Aktuelle fehlt.

KNA: Welchen Ratschlag würden Sie der Vatikanzeitung "Osservatore Romano" und Radio Vatikan für die Zukunft mit auf den Weg geben?
Gemmingen: Auch beim "Osservatore Romano" frage ich mich, warum eigentlich alles, was dort in mehreren Sprachen in den jeweiligen Print-Ausgaben zu lesen ist, nicht auch direkt auf eine Internetseite der Vatikanzeitung gestellt wird. Man könnte so von heute auf morgen Hunderttausende Menschen mehr erreichen. Und für Radio Vatikan würde ich mir mehr Programme in afrikanischen und asiatischen Sprachen wünschen. Wir sollten flexibler auf die Lage der Weltkirche reagieren.

KNA: Sie werden Rom bald verlassen und nach München ziehen. Was werden sie am meisten vermissen?
Gemmingen: Der Braccianer See wird mir sehr fehlen. Auch die Berge in der Umgebung von Rom werden mir in guter Erinnerung bleiben.
Überhaupt hänge ich mehr an Landschaften als an der Stadt Rom.
Obwohl mir natürlich auch die Kirchen und Museen und all die Sehenswürdigkeiten hier fehlen werden. Ich fange gerade erst an, Rom zu lieben. Doch großen Abschiedsschmerz empfinde ich nicht. Es liegt ja eine große Aufgabe vor mir, nämlich die finanziellen Mittel für die pastoralen Arbeiten der Jesuiten in Deutschland zu organisieren.