Prälat Peter Neher führt die Caritas in eine zweite Amtszeit

"Wo immer Menschen in Not sind..."

In den Medien gehört Prälat Peter Neher zu den prominenten Stimmen der katholischen Kirche in Deutschland und ist ein gefragter Gast in den TV-Talkshows. "Wo immer Menschen in Not sind, ist der Dienst der Kirche mit der Caritas gefordert." Für diese Botschaft steht der 54-Jährige. Seit 2003 hat Neher als Präsident den Deutschen Caritasverband als eine der führenden sozialpolitischen Stimmen in Gesellschaft und Politik verortet. Am Dienstag wählte ihn die Delegiertenversammlung des katholischen Wohlfahrtsverbands in Eichstätt ein zweites Mal zum Präsidenten.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Mit bisher sechs Jahren Amtszeit ist Neher auf dem politischen Parkett versiert. Kein anderer Spitzenvertreter der großen Wohlfahrtsverbände ist so lange im Amt wie er. Dass er wertgeschätzt wird, zeigen die Begegnungen mit den Spitzen der Politik. Ob Angela Merkel, Ursula von der Leyen (beide CDU) oder Guido Westerwelle (FDP), ob Franz Müntefering, Olaf Scholz (beide SPD) oder Katrin Göring-Eckardt (Grüne) - sie alle kamen in Berlin zur Caritas.

Gewiss beruht die Wertschätzung nicht auf übertriebener Nähe. Bei einzelnen Sachfragen, so beim Thema Kinderarmut und beim Umgang mit illegal in Deutschland lebenden Menschen, gehört die Caritas zu den lauten Mahnern und auch Kritikern der Politik. Und immer wieder warnt Neher vor einer weiteren Spaltung der Gesellschaft. Doch mit seinen Mitstreitern behält er das politische Ganze im Blick. "Ich kann nicht einerseits höhere Sozialleistungen verlangen und anderntags sagen, im Interesse des Arbeitsmarktes brauchen wir niedrige Sozialbeiträge", meint er. Auch diese Glaubwürdigkeit mache den Verband zum ernstzunehmenden Gesprächspartner. Da mag die Biografie im Hintergrund stehen: Neher lernte ab 1971 erst Bankkaufmann bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank, bevor er sich entschied, Theologie zu studieren und Priester zu werden.

Ein wichtiger Schritt seiner ersten Amtszeit war die Eröffnung der Caritas-Hauptvertretung im politischen Berlin samt offiziellem zweiten Dienstsitz des Präsidenten. Seit 2005 ist der Verband im eigenen Haus in der Nähe des Parlaments vertreten. Aus dem Büro in der vierten Etage fällt Nehers Blick auf die FDP-Parteizentrale. Vielleicht ist künftig nicht nur die Nähe zur dortigen Kaffeebar ein Vorteil.

In den nächsten Jahren stehen neue Herausforderungen an.
Innerkirchlich macht dem Verband mit seinen fast 500.000 hauptamtlichen und annähernd vielen ehrenamtlichen Kräften der Rückgang der Kirchensteuermittel zu schaffen. Seit längerem tüftelt die Caritas an einem Modell "differenzierterer Lohngestaltung". Politisch fürchten alle Sozialverbände die Auswirkungen der Finanzkrise. Und in der Gesundheitspolitik wurden drängende Aufgaben unter der großen Koalition eher vertagt als bewältigt.

Bai all dem ist Neher nach wie vor mehr Freiburger als Berliner. Der Prälat mit "Bahncard 100" steht, wie er sagt, fast an jedem Sonntag am Altar einer Pfarrkirche kurz vor dem Höllental. Die geistliche Gemeinschaft dort sei ihm ein "Zuhause", meint der Freizeitradler und -wanderer.

Als Sohn eines Käsermeisters aus einem Allgäudorf staunt Neher nach eigenem Bekunden gelegentlich selbst, dass er heute immer mal wieder mit den Spitzen des Landes spricht: "Wer bin ich denn?" Dann berichtet er, wie sehr ihn die Arbeit vieler Mitarbeiter in den Einrichtungen in Deutschland und bei Caritas international im Ausland beeindrucke. "Unendliches Engagement", sagt er. Und er erzählt von seiner Priesterweihe 1983. Da fragte der Bischof die Kandidaten mit der offiziellen Formulierung: "Seid ihr bereit, den Armen und Kranken beizustehen, Heimatlosen und Notleidenden zu helfen?" Peter Neher bejahte, ohne zu wissen, wohin sein Weg führt. Heute sagt er, die Caritas müsse "einen Gott sichtbar machen, der sich der Menschen annimmt".