Der Münchner Journalist wagt sich an eine Biografie über Jesus

Biblisch reisen mit Peter Seewald

Kann man über einen Mann, der vor fast 2.000 Jahren starb, eine Biografie schreiben? Man kann, wenn man Peter Seewald heißt. Vor allem, wenn es sich "um die größte Geschichte aller Zeiten" handelt: "Jesus Christus. Die Biografie". Seewald selbst spricht "ohne falsche Bescheidenheit" von der wichtigsten Neuveröffentlichung des Jahres.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
 (DR)

KNA: Herr Seewald, vor zwei Jahren kam das Jesusbuch von Papst Benedikt XVI. auf den Markt. Warum haben Sie nachgezogen?
Seewald: Den Auftrag vom Verlag hatte ich schon seit neun Jahren.
Aber immer wieder kam etwas dazwischen. Andererseits hatte ich auch ein bisschen Angst vor dem Thema. Letztlich ist das aber auch ein gesellschaftlicher Auftrag. Ich bin überzeugt, dass die Krise der Gesellschaft ihren Grund hat in einer Krise des Christentums - nicht umgekehrt. Und die Krise des Christentums liegt zum gutteil an einer mangelnden Begeisterung für Christus.

KNA: "Die Biografie" lautet der Untertitel. Das klingt offiziös. Können Sie diesen Anspruch einlösen?
Seewald: Ich bin als Journalist und als Christ den Spuren Jesu gefolgt. Ich wollte herausfinden, was an den Evangelien wahr ist und was nicht. Jesus ist ja in den vergangenen Jahren von unterschiedlichsten Experten bis zur Unkenntlichkeit zerlegt worden und uns daduch irgendwie abhanden gekommen. Heute denken viele: Na ja, das mag eine spannende Figur sein, aber gesicherte Erkenntnisse über ihn gibt es wohl nicht.

KNA: Historisch-kritische Bibelwissenschaftler kommen in Ihrem Buch schlecht weg. Auf wen stützen Sie sich?
Seewald: Die Theologen haben ihre Verdienste. Auf der anderen Seite hat ein Großteil der Zunft seine Chancen verspielt. Er ist mitverantwortlich dafür, dass wir heute so ein diffuses Jesusbild haben. Seit Jahrzehnten hat kein Theologe mehr eine Geschichte des Lebens Jesu geschrieben. Warum nicht? Wichtig sind auch die außertheologischen Quellen, die Erkenntnisse der Archäologen, der Historiker, der Papyrologen und Paläografen. Und da ist die Landschaft selber, in die man sich hineinbegeben kann - und zwar mit der Freiheit, einmal nicht nur danach zu suchen, was denn nicht stimmen könnte, sondern umgekehrt. Nur der ganzheitliche Ansatz zeigt uns Jesus in seiner ganzen Größe und seinem Geheimnis.

KNA: Theologiestudenten lernen an der Universität, dass sie vom historischen Jesus ein "garstig breiter Graben" trennt. Sie sind da offenbar locker drübergesprungen.
Seewald: Nein. Aber wer sich intensiv mit der Materie beschäftigt, findet keinen Widerspruch zwischen dem Jesus der Geschichte und dem Jesus des Glaubens. Schriftgelehrte in den Hörsälen und in den Medien haben uns über Jahrzehnte in dieser Sache belogen, betrogen und in die Irre geführt. Bis dahin, dass ein Mann wie Rudolf Augstein uns weismachen wollte, Jesus habe überhaupt nicht gelebt. Das Gegenteil ist wahr: Jesus Christus ist die am meisten und besten bezeugte Persönlichkeit der Antike.

KNA: Wie sah Jesus aus?
Seewald: Es fällt auf, dass die Evangelisten darüber nicht schreiben. Dahinter steckt gewiss auch die jüdische Tradition, dass man sich von Gott kein Bild macht. Aber wir wissen, wie Jesus war, wie er gehandelt hat. Wir können uns eine Vorstellung machen über sein Auftreten, über sein Gemüt, dass er auch mal traurig war, dass er zornig sein konnte, vor allem aber, dass er eine unendliche Liebe zu den Menschen hatte. Über allem steht sein Auftrag, eine Botschaft zu überbringen und alles für die Rettung der Menschen zu tun, bis hin zum Tod am Kreuz.

KNA: Was war Ihre spannendste Entdeckung?
Seewald: Im Heiligen Land wird einem wieder richtig bewusst, dass es hier um die größte Geschichte aller Zeiten geht. Jesus hat die Welt verändert wie niemand sonst. Beim Verfolgen seiner Spuren hat mich fasziniert, wie ungeheuer spannend, wichtig und vor allem wie schlüssig alles ist, was uns die Evangelien überliefern.

KNA: Wie stellen Sie sich die ersten Christen vor?
Seewald: Das waren nicht zwölf Männer und ein paar Frauen, die da hinterhergetrippelt sind, das waren zigtausend Menschen. Dass die Juden Jesus nicht anerkannt hätten, kann heute niemand mehr behaupten. Die Jesusbewegung war neben den Pharisäern die größte Schule Israels. Kurz nach dem Tod Jesu war sie zahlenmäßig weitaus stärker als alle anderen organisierten Gruppen.

KNA: Haben Sie alle Rätsel lösen können?
Seewald: Eine einmalige Erscheinung wie Jesus ist nie ganz auszuleuchten. Aber es ist möglich Belege zu finden, bis hin zur Auferstehung, die uns zeigen, dass seine Geschichte und seine Offenbarung kein Märchen, keine nachösterliche Erfindung sind. Die Indizien sind eindeutig. Eine bohrende Frage bleibt: Alle Prophezeiungen Jesu sind eingetreten - bis auf eine, die Ankündigung seiner Wiederkehr. Da wüsste man schon ganz gern, wann es so weit ist.

Hinweis: Peter Seewald, "Jesus Christus. Die Biografie", Pattloch Verlag München, 704 Seiten, 24,95 Euro.