Reportage: Helfer bahnen sich den Weg ins Erdbebengebiet auf Sumatra

"Wir müssen uns den Weg freischaufeln"

"Wir verladen gerade Bulldozer", sagt Nicole Breunig von der deutschen Hilfsorganisation "Help". Das schwere Gerät ist für Räumarbeiten im indonesischen Padang bestimmt. Der Konvoi soll in wenigen Stunden von der "Help"-Basis Medan auf Sumatra abfahrbereit sein. Wie lange Breunig und ihre Mitarbeiter für die 700 Kilometer lange Strecke in das vom Erdbeben verwüstete Katastrophengebiet brauchen, ist ungewiss. "Vielleicht dauert es einen Tag, vielleicht auch mehr", sagt sie. Die Straßen sind von Erdrutschen blockiert, viele Brücken liegen in Trümmern.

Autor/in:
Michael Lenz
 (DR)

«Wir werden uns den Weg freischaufeln müssen», lautet die Devise der Expertin. Zudem sei es gut möglich, dass sie unterwegs in den Dörfern Erste Hilfe leisten müssten. «Die abgelegenen Gebiete sind ganz auf sich gestellt.» Unterdessen steigt die Zahl der Toten, die bei den Beben vom Mittwoch und Donnerstag ums Leben kamen, beinahe im Stundentakt. Jüngste Schätzungen sprechen von bis zu 1.100 Opfern. Diese Zahl werde aber in den nächsten Tagen noch ansteigen, befürchten die indonesischen Behörden.

Unterdessen bereitet sich in Medan auch Nicole Derbinski vom Malteser Hilfsdienst auf den Einsatz vor. Sie wird im Gegensatz zu ihrer Kollegin Breunig Padang auf dem Luftweg ansteuern. «Der Flughafen scheint noch funktionsfähig zu sein. Aber gut die Hälfte der Stadt ist zerstört», weiß Derbinski. Noch schlimmer sehe es in der Nachbarstadt Pariaman aus, die zu 80 Prozent in Trümmern liege.
Deshalb werde der Malteser Hilfsdienst seine Aktivitäten auf dieses Gebiet konzentrieren. «Da ist bisher kaum Hilfe hingekommen.»

Die Lage in Pariaman als dramatisch zu beschreiben wird der verzweifelten Situation der 80.000-Einwohner-Stadt am indischen Ozean kaum gerecht. Der Name der Stadt, auf Deutsch «Ort der Sicherheit», klingt angesichts der vielen hundert Toten, der zerstörten Häuser und Geschäfte wie Hohn. Augenzeugen berichten, es gebe kaum ein Durchkommen. Die Straßen seien blockiert von den Trümmern eingestürzter Häuser. Erschwerend kommen starke Regenfälle hinzu.

«Unsere Hauptsorge gilt zunächst der medizinischen Versorgung der Verletzten», umschreibt der Direktor von Caritas Indonesia, Pater Sigit Pramudji, das oberste Ziel. Ein mehr als schwieriges Unterfangen angesichts der Tatsache, dass nach Angaben von Caritas international allein in Padang zwei von drei Krankenhäusern durch das Beben schwer beschädigt wurden. Hinzu kommt, dass die Menschen aus Angst vor Nachbeben im Freien leben. Notunterkünfte gibt es nicht, was die Ausbreitung von Krankheiten angesichts der mangelhaften hygienischen Verhältnisse begünstigt. Zudem wächst die Seuchengefahr durch die vielen Leichen, die noch unter den Trümmern vermutet werden und die durch die tropische Hitze schnell verwesen.

Malteser und «Help» wollen deswegen mobile Ambulanzen einrichten, sobald sie Padang und Pariaman erreicht haben. «Spätestens am Samstagmorgen wird unsere mobile Notfallklinik einsatzbereit sein», ist Derbinski überzeugt, die mit den Gesundheitsbehörden vor Ort in engem Kontakt steht. Weitere Hilfe ist unterwegs. «Wir ziehen für den schnellen Soforteinsatz vorübergehend Personal und Material aus Birma und anderen Regionen ab.»

Mitten im Chaos spielen sich derweil unwirkliche Szenen ab. So feierte eine junge Frau, deren Elternhaus durch das Beben zerstört wurde, wie geplant mit 40 Gästen im zerstörten Padang ihre Hochzeit. Obdachlose, die sich die Bühne am Ort der Hochzeitsparty als Notunterkunft auserkoren hatten, wurden kurzerhand umquartiert. «Wir feiern auch, dass wir überlebt haben», sagt die 25-Jährige. Tod und Leben: Beides liegt an diesen Tagen in Indonesien besonders dicht beieinander.