Franco-Opfer hoffen auf Untersuchungsrichter Baltasar Garzón

Mühsame Vergangenheitsbewältigung in Spanien

Für Fausto Canales und seine Frau Eva Tejedor ist er ein Held. Der spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzón gehe den Dingen auf den Grund, sagt Eva Tejedor überzeugt. Die beiden sind Angehörige von Opfern des Franco-Regimes. Das Rentnerehepaar verfolgt gebannt die Untersuchung des Spanischen Obersten Gerichtshof gegen Garzón nächste Woche.

Autor/in:
Hans-Günter Kellner
 (DR)

Die Richter wollen entscheiden, ob sie Baltasar Garzón anklagen, weil er bei seinen Untersuchungen gegen das Franco-Regime (1939-1975) Recht gebeugt haben soll.

Lange Zeit wurde die blutige Repression, die während des spanischen Bürgerkriegs (1936-1939) und danach wütete, von der Forschung kaum beachtet. Als Baltasar Garzón vor einem Jahr den Fall an sich zog, stellte er in einem ersten Untersuchungsbericht eine Zahl in den Raum, die selbst die schlimmsten Befürchtungen übertraf: Mehr als 130.000 Menschen seien der Repression zum Opfer gefallen, heißt es darin.

Fausto Canales Canales war zwei Jahre alt, als die Todesschwadronen am 20. August 1936 in das Haus der Familie in dem kleinen kastilischen Dorf Pajares eindrangen und den Vater mitnahmen. Valerico Canales wurde noch in der gleichen Nacht an einer Straße zum Nachbarort mit sechs Weiteren aus dem Dorf erschossen. Sein Vergehen: Er hatte sich als Landarbeiter an Streiks beteiligt und oft das Gewerkschaftshaus im Dorf besucht.

"Niemand traute sich, nach dem Verbleib der Verschleppten zu fragen", erzählt Fausto Canales heute. Erst 2003 machte er die Stelle ausfindig, in der die vor mehr als 70 Jahren Hingerichteten verscharrt worden waren. Doch bei der Exhumierung fanden sich nur ein Schädel und kleinere Knochen.

In einer Nacht-und Nebel-Aktion hatte das Regime die Leichen 1959 ausgegraben, in eine Kiste gepackt und ins "Tal der Gefallenen" nach Madrid gefahren, eine enorme Gedenkstätte zu Ehren des Franco-Regimes, das der Diktator schon zu Lebzeiten in einen Berg der Madrider Sierra schlagen ließ. In den Gewölbegängen liegen Zehntausende von Toten, zahlreiche Repressionsopfer aber auch der tote Diktator selbst, weshalb der Ort noch heute zahlreiche Nostalgiker der Diktatur anzieht.

Für Fausto Canales ist es unerträglich, dass sein Vater dort unter der Inschrift "gefallen für Gott und Spanien" bestattet ist. Der 75-Jährige weiß genau, wo die Kiste der Erschossenen von Pajares liegt, doch die Regierung ignoriert seine Bittbriefe nach einer Exhumierung. Darum wandte er sich wie viele andere an Untersuchungsrichter Baltasar Garzón, der vor einem Jahr schließlich die bisher größte juristische Untersuchung zum spanischen Bürgerkrieg anordnete. Die vielen Erschießungen sollten jede mögliche Opposition ausschalten. Es handele sich um Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die nach der Doktrin der Nürnberger Prozesse nicht verjährten, schlussfolgerte Garzón - und ordnete auch die Exhumierung des Vaters von Fausto Canales an.

Doch dann blieb der Fall in den Mühlen der Justiz hängen. Garzón verwies die Fälle der Verschwundenen an die lokalen Gerichte, wovon jedoch viele erklärten, für Verbrechen gegen die Menschlichkeit sei doch Garzón zuständig. Im Mai zeigte ein rechtsextremer Beamtenbund Garzón an, weil er in dem Fall gar nicht ermitteln dürfe. Unter anderem gebe es ein Amnestiegesetz aus dem Jahr 1977, das die Strafverfolgung untersage. Deshalb will nun niemand mehr über die Exhumierung von Valerico Canales entscheiden, bis der Oberste Gerichtshof über den Vorwurf der Rechtsbeugung gegen Garzón entscheidet.

Für Fausto Canales und seine Frau Eva Tejedor steht damit mehr auf dem Spiel als nur ein ordentliches Begräbnis der Erschossenen von Pajares. Spanien mache sich lächerlich, wenn es die Verbrechen gegen die Menschlichkeit lateinamerikanischer Militärdiktaturen untersuche, aber ähnliche Verfahren wegen der eigenen Vergangenheit nicht möglich seien, sagt Eva Tejedor. Ihr Mann meint: "Das wäre dann der lange Arm Francos, der Garzón anklagt."