Bei U-18 gingen Kinder bereits zur "Bundestagswahl" -

Wenn Deutschlands Jugend wählt

Bereits neun Tage vor dem 27. September stimmte Deutschlands Jugend bei einer Jugendversion der Bundestagswahl - der U-18-Wahl - über Parteien und Politiker ab und zeigte dabei ein anderes Wahlverhalten als Umfragen für die Erwachsenenbundestagswahl vermuten lassen.

 (DR)

Kichernd lässt die elfjährige Lucile ihren Stimmzettel durch den Schlitz der Wahlurne gleiten. «Ich hoffe, die Politiker schauen sich auch an, was die Kinder in Deutschland wirklich wollen», sagt sie. Gemeinsam mit ihren Mitschülern hat Lucile am Freitag in der Klecks-Grundschule in Berlin-Pankow zum ersten Mal bei einer «Bundestagswahl» ihre Stimme abgegeben - und das obwohl sie als Sechstklässlerin noch weit vom offiziellen Wahlalter entfernt ist.

1125 Wahllokale waren in Schulen und Freizeiteinrichtungen in ganz Deutschland eingerichtet, davon allein 294 in Berlin. «Insgesamt rechnen wir damit, dass rund 100 000 Kinder und Jugendliche an der Wahl teilnehmen werden», sagte Projektkoordinatorin Jugendwahl Nina Lippmann.

«Ziel der erstmals bundesweit durchgeführten Aktion ist vor allem, Politik für Jugendliche interessant zu machen und sie im besten Fall dafür zu begeistern», erklärte Lippmann. Zugleich sollte das Projekt der jungen Generation helfen, politische Zusammenhänge sowie Politikerversprechen besser zu verstehen und auch zu hinterfragen.

Von dem oft beschworenen mangelnden politischen Interesse der deutschen Jugend war in der großen Pause an der Klecks-Grundschule nichts zu spüren. Dass die Wahlurne keine Urne im klassischen Sinne war, sondern aus einem bunt bemalten Auto mit dem Schriftzug «Wahlurne» bestand und die zusammengefalteten Stimmzettel durch den Fensterschlitz der Fahrertür fielen, störte die kleinen Wähler nicht. Sie sprangen lieber vergnügt rund um das skurrile Auto.

«Ich finde es toll, dass wir wählen dürfen. Schließlich ist es auch unsere Zukunft», sagte die elfjährige Alma. Das Wahlalter für die echte Bundestagswahl heruntersetzen wollten Alma und ihre Freundin Lucile aber nicht. «Erstmal sollen noch meine Eltern weiter entscheiden», sagte Lucile. Sie will nicht verraten, wen sie gewählt hat. «Das ist ja geheim», sagte sie grinsend.

Offener zeigte sich da der zehnjährige Justus im Wahllokal im Kiez Kids Klub im Stadtteil Moabit, als er hinter einem blauen Samtvorhang mit dem Schild «Wahlkabine» hervorschaute. Vor der Wahl habe er sich intensiv mit seiner Mutter über die Parteien beraten, sagte er. «Ich habe die Grünen gewählt, weil die viel für die Umwelt machen. Und das ist echt wichtig gerade für uns Kinder», sagte er und drückte dann seinen Stimmzettel in eine Haifischschnauze, hinter der die Wahlurne verborgen war.

Als sich dann am späten Nachmittag zahlreiche freiwillige kleine Helfer zum Auszählen der Stimmen einfanden, wurde zumindest in dem Kids Klub schnell ein erster Trend deutlich, der Justus freute: Die Grünen und die SPD lagen zunächst mit großem Abstand vorne. Ein Betreuer vor Ort wusste aber: «Das ist erst der Anfang, das kann sich noch ändern.»

Erste Hochrechnungen gegen 19.00 Uhr - als nahezu die Hälfte aller Wahllokale ausgewertet war - zeigten dann, dass die beiden Parteien offensichtlich auch andernorts beliebt waren: SPD und Grüne erreichten jeweils rund 20 Prozent, die Union blieb knapp darunter und die Liberalen lagen noch hinter der Linken und der Piratenpartei.