Mindestlöhne für Pflegehilfskräfte voraussichtlich noch in diesem Jahr

Jetzt entscheiden Gremien

Mit der Bildung entscheidender Gremien hat Bundesarbeitsminister Olaf Scholz den Weg für weitere Mindestlöhne freigemacht. Am Dienstag kam in Berlin erstmals der neue Mindestlohn-Hauptausschuss zusammen, um über Lohnuntergrenzen in Wirtschaftszweigen mit sehr geringer Tarifbindung zu beraten. Für die rund 600.000 Beschäftigten in der Pflegebranche könnte noch in diesem Jahr ein Wert festgelegt werden.

 (DR)

Die Runde aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern unter dem Vorsitz des früheren Hamburger Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi (SPD) soll prüfen, ob gesetzliche Mindestlöhne in solchen Branchen überhaupt notwendig sind. Ist das der Fall, werden sie über das Mindestarbeitsbedingungengesetz verbindlich gemacht. Scholz sprach von einer «wichtigen Aufgabe für unser Land» und rechnete damit, dass der Ausschuss «zügig» zu Entscheidungen kommen werde.

Die Positionen der Ausschussmitglieder liegen jedoch zum Teil weit auseinander. DGB-Chef Michael Sommer hob vor Beginn der Gespräche hervor, für ihn stehe nach wie vor ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn «deutlich» über 7,50 Euro im Vordergrund. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt kritisierte hingegen, Mindestlöhne machten die Lohnfestsetzung zum «Spielball der Politik». Er sehe derzeit keine Branche, die Mindestlöhne nach dem Mindestarbeitsbedingungengesetz erhalten sollte.

Kirchen lehnen Tarifverträge ab
Scholz kündigte derweil an, dass für die rund 600 000 Beschäftigten in der Pflegebranche noch in diesem Jahr Lohnuntergrenzen eingezogen werden sollen - nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Grundlage dafür sind eigentlich bundesweite Tarifverträge, die es in der Pflege aber nicht gibt. Denn die Kirchen als größter Arbeitgeber in der Altenpflege schließen keine Tarifverträge ab. Sie vereinbaren Löhne nach eigenen Richtlinien, die sich allerdings häufig an Tarifverträgen orientieren.

Der Minister hat daher bereits am Freitag die Mitglieder der ersten Pflegekommission berufen, die über Mindestentgelte für die Branche verhandeln sollen. Dem Gremium gehören Vertreter von Gewerkschaften, kommunalen und privaten Arbeitgebern sowie der Kirchen an.

Weitere Branchen betroffen
Neben der Pflege sollen noch in diesem Jahr für die industriellen Großwäschereien, die Abfallwirtschaft und die Bergbauspezialdienste Mindestlöhne gelten. Sie treten per Verordnung der Bundesregierung in Kraft. Vorgesehen sind verbindliche Regelungen außerdem für das Wach- und Sicherheitsgewerbe und die Aus- und Weiterbildung. Derzeit gelten Mindestlöhne für rund 1,8 Millionen Beschäftigte in der Baubranche, bei den Gebäudereinigern und den Briefdiensten.

Linke-Chef Klaus Ernst warf Scholz vor, sein Amt für Wahlkampfzwecke zu missbrauchen. Die Zusammensetzung des Mindestlohn-Hauptausschusses lasse zudem befürchten, dass das Gremium ein «Lohndumping-Beirat» werde. So wolle etwa Dohnanyi Mindestlöhne «nur auf niedrigem Niveau und mit Abschlägen für den Osten».