Zehntausende bei Groß-Demo für Sofortausstieg aus der Kernenergie

Atomkraft? Nein Danke!

Bei der größten Anti-Atom-Demonstration seit über 20 Jahren haben am Samstag in Berlin Zehntausende den sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie und die "Stilllegung aller Atomanlagen weltweit" gefordert. Die mit Sonderzügen und Bussen aus dem gesamten Bundesgebiet angereisten Demonstranten, darunter viele junge Leute, zogen ab dem Mittag friedlich durch das Regierungsviertel zum Brandenburger Tor, wo vor einer großen Bühne eine Kundgebung stattfand.

 (DR)

Bereits am Vormittag war ein Konvoi mit über 350 Traktoren von Landwirten aus dem niedersächsischen Wendland auf der Straße des 17. Juni vorgefahren. Die Veranstalter der Großdemonstration unter dem Motto «Mal richtig abschalten», ein Bündnis aus über 100 Organisationen aus der Umwelt- und Friedensbewegung, sprachen von über 50.000 Teilnehmern, die Polizei nannte die Zahl von 36.000 Menschen.

Unter den Rednern waren unter anderem der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, die Berliner Pröpstin Friederike von Kirchbach und der IG-Metall Vorsitzende Berthold Huber mit einer Video-Botschaft von einer zeitgleich stattfindenden Gewerkschaftskundgebung aus Frankfurt am Main.

Huber gab eine direkte Wahlempfehlung für die Bundestagswahl ab. Er warnte davor, am 27. September «schwarz-gelb» zu wählen, weil CDU und FDP für die Fortsetzung einer verfehlten Energie- und Atompolitik stünden. Die Gewerkschaften setzten auf erneuerbare Energien, auch weil dadurch neue Arbeitsplätze entstünden.

Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger sagte, Atomenergie sei eine «permanente Kriegserklärung an die Schöpfung», bei der es nur um die Gewinnmaximierung verantwortungsloser Unternehmer ginge. Er forderte eine generelle Neuordung der Energiebranche mit dezentralen Strukturen statt weniger Monopolisten. «Die Energieversorgung gehört in Bürgerhand», rief Weigert unter dem Beifall der Demonstranten.

Auch die Pröpstin der Berlin-Brandenburger Landeskirche, Friederike von Kirchbach, rief dazu auf, die Wahlentscheidung von der Frage Atomausstieg abhängig zu machen. Auch europaweit gebe es wieder eine bedrohliche Wiederannäherung an die Nutzung der Kernenergie.

Unter den Kundgebungsteilnehmern waren zahlreiche prominente Politiker, darunter Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), die Grünen-Spitzenkandidaten Renate Künast und Jürgen Trittin, die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth und der Fraktionschef im Bundestag, Fritz Kuhn, sowie Politiker der Linken. Unterstützung erhielten die Atomkraftgegner auch vom Umweltbundesamt (UBA). Im Deutschlandradio Kultur sagte der neue UBA-Chef Jochen Flasbarth, Atomenergie sei keine nachhaltige Energieform. Das Festhalten am Ausstieg sei «essenziell» für eine zukunftsfähige Energieversorgung.

Nach einer von der Umweltschutzorganisation Greenpeace am Samstag veröffentlichten repräsentativen Umfrage sind fast zwei Drittel der Bundesbürger für den Atomausstieg in Deutschland. 59 Prozent der Befragten lehnten eine Laufzeitverlängerung alter Atomkraftwerke ab, heißt es in der repräsentativen Meinungsumfrage von TNS-Emnid. Die erneuerbaren Energien könnten bis 2050 die komplette Stromversorgung in der Bundesrepublik übernehmen, heißt es in dem Greenpeace-Energiekonzept «Klimaschutz: Plan B 2050». Ein Ausstieg aus der Atomenergie sei bis 2015 möglich.