EU-Kommission schlägt freiwilliges Programm zur Aufnahme vor

"Mehr besonders bedrohte Flüchtlinge aufnehmen"

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

Vorbild Irak-Flüchtlinge: Nachdem die EU-Staaten im vergangenen Herbst zugesagt hatten, in diesem Jahr auf freiwilliger Basis 10.000 besonders bedrohte Iraker aufzunehmen, sollen künftig auch Flüchtlinge aus anderen Regionen auf solche Hilfe hoffen können. Die EU-Kommission schlug am Mittwoch in Brüssel ein Wiederansiedlungsprogramm vor, mit dem Flüchtlinge, die anderswo keinen Schutz finden, in der EU aufgenommen werden sollen.

Mit finanziellen Anreizen - 4.000 Euro pro Person - will die Kommission dafür sorgen, dass die Mitgliedstaaten mehr Flüchtlinge aufnehmen. Über die derzeit zehn EU-Staaten mit Wiederansiedlungsprogrammen hinaus hofft sie damit, neue Staaten für die Aufnahme zu gewinnen. Gemeinsam sollen die Mitgliedstaaten jährlich festlegen, welche Flüchtlinge dabei Vorrang haben sollten.

Die schwedische EU-Präsidentschaft unterstrich bereits, dass sie Vorschläge für eine großzügigere Flüchtlingspolitik unterstützt. Ihr
Argument: Wer einerseits mit scharfen Kontrollen die illegale Einreise erschweren will, muss andererseits legale Möglichkeiten aufzeigen, um in die EU gelangen zu können. Anderenfalls werde das Asylrecht ausgehöhlt. Migrationsminister Tobias Billström verlangte eine deutliche Anhebung der Quoten für Neuansiedlungen von Flüchtlingen.

Das Beispiel der Aufnahme von Irak-Flüchtlingen aber zeigt, dass sich die EU-Staaten in der Praxis nur mit Mühe auf Aufnahmeprogramme einigen können. Die Debatte darüber dauerte Monate. Ergebnis war dann, dass im laufenden Jahr bis zu 10.000 besonders bedrohte Iraker aus Syrien und Jordanien aufgenommen werden sollen. Deutschland versprach, davon 2.500 aufzunehmen. Das EU-Versprechen wurde freilich bislang nur zum Teil verwirklicht: «etwa zur Hälfte», so die EU-Kommission. Auch Deutschland liegt mit bislang 1.150 eingetroffenen Irak-Flüchtlingen in diesem Bereich.

Barrots Vorschläge betreffen ohnehin nur einen kleinen Teil des Problems wachsender Flüchtlingszahlen, das besonders die Mittelmeer-Anrainerstaaten umtreibt. Sie, allen voran Malta, warten weiter auf die schon beim EU-Gipfel im Juni zugesagte Entlastung. In Malta leben nach örtlichen Medienberichten derzeit zwischen 6.000 und 7.000 Flüchtlinge in Lagern und offenen Zentren - und das bei einer Einwohnerzahl von nur rund 410.000. Wie zur Illustration der Probleme wurden in der Nacht zum Mittwoch 87 somalische Flüchtlinge an Land gebracht, die auf einem kleinen Boot vor der maltesischen Küste trieben.

Ob auch Griechenland oder Italien, wo die Flüchtlingszahlen trotz verschärfter und EU-unterstützter Kontrollen im Mittelmeer ebenfalls stark gestiegen sind, künftig einmal von der Umsiedlung von Flüchtlingen profitieren könnten, das bleibt ebenfalls weiter offen.
Barrot kündigte weitere Verhandlungen vor allem mit Libyen und der Türkei an, um sie dazu zu bringen, von dort aus in die EU kommende Flüchtlinge wieder zurückzunehmen.

Vor allem Griechenland ist zuletzt bei Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen in scharfe Kritik geraten, weil die Unterbringung von Flüchtlingen oft genug menschenunwürdig sei. Auch deutsche Gerichte stoppten mehrfach die Überstellung von Flüchtlingen nach Griechenland, weil sie dort eine ordentliche Bearbeitung des Asylantrags nicht gewährleistet sahen. Und Italien steht wegen seines erheblich verschärften Umgangs mit Ausländern ohne Papiere und Flüchtlingen ohnehin unter Beobachtung der EU-Kommission - sehr zum Ärger von Ministerpräsident Silvio Berlusconi.

Hauptproblem für die EU-Mittelmeer-Staaten ist vor allem die Regel, wonach Asylanträge in dem Land behandelt werden müssen, in dem der Asylbewerber zunächst die EU erreicht. Pläne zur Reform dieser sogenannten Dublin-II-Regelung liegen auf dem Tisch, das Europaparlament hat sie auch schon gebilligt. Unter den EU-Innenministern aber zeichnet sich keine Einigung ab. Auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat bereits im Juni erhebliche Skepsis geäußert.