Die Caritas berät online Menschen in Finanznot

Auf ein neues Gleis

Mit der Post kommt die Panik. Bald wird, heißt es da, der Strom abgeklemmt, das Gehalt gepfändet, die Wohnung gekündigt. Wer dermaßen in die Schuldenfalle getappt ist, braucht Hilfe. Oft wagen Betroffene den Schritt in eine Beratungsstelle erst, wenn es fast zu spät ist. Die Online-Schuldnerberatung der Caritas will diese Wege verkürzen.

Autor/in:
Julia Grimminger
Seit 2009 hat die Caritas bundesweit ein Beratungsnetzwerk im Netz geknüpft (DR)
Seit 2009 hat die Caritas bundesweit ein Beratungsnetzwerk im Netz geknüpft / ( DR )

Seit Mai hat der Wohlfahrtsverband bundesweit ein Beratungsnetzwerk im Netz geknüpft. So macht es keinen Unterschied, ob der Beratungssuchende aus Bayern oder Brandenburg kommt. Im Online-Portal der Caritas kann er sich nach der Anmeldung einloggen und seine Postleitzahl angeben. Ob er in der Nähe einer der 22 angegliederten Beratungsstellen oder im "Weiße-Flecken-Gebiet" wohnt, ist nicht relevant. Gebiete, die noch kein Büro abdeckt, bedient eine "virtuelle Beratungsstelle". Eine Antwort sei "immer gesichert", verspricht Kirsten Schullack, die für alle Beratungsbereiche im Portal der Caritas zuständig ist. Der Klient könne dann sein Problem in der Maske ausführlich oder kurz schildern. Der zuständige Berater, dem das System die Mail zuleitet, antworte werktags innerhalb von 48 Stunden.

Dass sich bereits nach wenigen Monaten jede Woche bis zu 100 Klienten meldeten, erklärt sich Schuldnerberater Marius Stark mit der Anonymität des Internet. Die Hemmschwelle, eine Mail zu schreiben, sei nicht so hoch. Im Schnitt braucht Stark zehn bis 15 Minuten für eine Antwort. Zunächst macht er in jeder Mail den Menschen Mut und sagt: "Prima, dass Sie sich gemeldet haben." Dann gibt er erste Handlungsanweisungen, um Sachkenntnisse zügig zu vermitteln und so Ängste zu nehmen. "Es geht darum, die Leute auf ein neues Gleis zu setzen", sagt der Kölner Berater.

Bandbreite der Themen ist groß, ebenso wie die Nachfrage
Stark dementiert die Vermutung, dass die Klienten nur einer bestimmten Schicht angehören. Man merke an den Formulierungen, dass sich da Menschen aus vielen gesellschaftlichen Bereichen an den Computer setzten. Bei manchen falle ihm ein "ausgewähltes Sprachvolumen" auf.

Die Bandbreite der Themen ist groß, ebenso wie die Nachfrage. Finanzen seien nun mal "ein brennendes Thema", so Stark. Meist gehe es um Schulden, eine Kontosperrung oder Kredite, die nicht mehr bezahlt werden könnten. Ihm sei wichtig, den Menschen Hoffnung zu machen, häufig spüre er die Verzweiflung. "In jedem Schuldenfall gibt es eine Lösung", verspricht der Experte.

Nicht regional angesiedelt: Das ist das Besondere
Auch andere Wohlfahrtsverbände, Stiftungen und private Anbieter beraten in Schuldenfragen online. Im Gegensatz zu den meisten ist die Caritas-Beratung nicht regional angesiedelt, bundesweit. "Das ist das Besondere", erklärt Schullack. In drei von vier Fällen führt eine erste Mail zu einer persönlichen Beratung. "Face-to-Face" würden dann Papiere sortiert, durchgearbeitet oder nachgefordert.

Wenn die Antworten denn gelesen werden... In einem Drittel der Fälle kommt die Hilfe nicht an. Das liege nicht an der Technik, sondern an den Klienten selbst, weiß Stark, der dies durch das System prüfen kann. Der Berater hat dafür mehrere Erklärungen: Entweder fragen die Klienten bei verschiedenen Beratungsstellen an und haben bereits eine Antwort erhalten. Oder sie schieben die Notsituation einfach beiseite. Für dieses Problem hat er allerdings bislang noch keine Lösung: "Das wurmt mich schon", gesteht er.