In NRW scheiden sich die Geister an der Ausrichtung der Schulpolitik

Zankapfel Bildung

Trotz koalitionsinterner Streitigkeiten um die Bildungspolitik hat Schulministerin Barbara Sommer ihre Bilanz verteidigt. Gut vier Jahre nach dem Regierungswechsel in NRW gebe es heute 6915 Lehrerstellen mehr, sagte die CDU-Politikerin am Freitag in Düsseldorf. Die Ministerin musste allerdings einräumen, dass sie 800 Stellen für Lehrkräfte wegen des Lehrermangels nicht besetzen kann. Die Opposition attackierte die Schulpolitik von Schwarz-Gelb.

Autor/in:
Martin Teigeler
 (DR)

Sommer will bis 2015 rund 43 Prozent der NRW-Schüler mit einem Ganztagsangebot versorgen. Der Ausbau des Ganztagsunterrichts sei mit der «Einführung der allgemeinen Schulpflicht im 19. Jahrhundert» zu vergleichen. Derzeit besuchen 29,1 Prozent der 2,8 Millionen Schüler in Nordrhein-Westfalen eine Ganztagsschule.

Die Gesamtschulen würden bei den Ganztagsplanungen der Regierung nicht berücksichtigt, weil diese Schulform von der rot-grünen Vorgängerregierung «privilegiert» worden sei, betonte Sommer. Nun seien die anderen Schulformen an der Reihe. Gegen den Lehrermangel wolle sie die Zahl der Ausbildungsplätze für Referendare erhöhen.

Das Zentralabitur 2009 bezeichnete die Ressortchefin als Erfolg. Nach zahlreichen Pannen im Vorjahr habe die erstmals von einer Expertenkommission überwachte Abschlussprüfung gute Ergebnisse gebracht. Die Durchschnittsnote der Abiturienten lag demnach bei 2,58. Beim ersten Zentralabitur 2007 hatte das Notenmittel 2,64 betragen, 2008 war die Durchschnittsnote 2,64. Die Traumnote 1,0 schafften in diesem Jahr 625 Abiturienten.

In der koalitionsinternen Debatte um mehr Verbundschulen verteidigte Sommer dieses Sondermodell, mit dem Kommunen Schulformen bei sinkenden Schülerzahlen zusammenschließen können. CDU-Fraktionschef Helmut Stahl hatte sich Anfang Juli für die volle Beibehaltung des Profils der Realschulen eingesetzt. Bei landesweit rund 700 Hauptschulen und rund 550 Realschulen soll es im nächsten Schuljahr 18 Verbundschulen geben. Das Schulgesetz sehe diese Möglichkeit vor, betonte Sommer.

Der Koalitionspartner FDP fordert seit Monaten eine regionale Mittelschule. SPD und Grüne wollen nach der Landtagswahl 2010 eine Gemeinschaftsschule einführen. Bis zur Klasse 10 sollen alle Schüler gemeinsam unter einem Schuldach lernen können.

Sommer stellte sich hinter die Verfassungsklage einer Lehrerin gegen das Lehrer-Bewertungsportal «Spickmich.de». Am 25. August wolle sie mit Lehrerverbänden und Schülervertretern über neue Formen einer schulinternen Bewertung von Lehrerleistungen sprechen. Das Thema müsse «raus aus der Grauzone», sagte die Ministerin.

Lehrermangel oder nicht?
Die Opposition ließ kein gutes Haar an Sommer. «Spätestens mit Schulbeginn werden Eltern und Schüler erleben, wie die Realität an den Schulen wirklich aussieht», sagte die frühere Schulministerin und jetzige SPD-Bildungsexpertin Ute Schäfer. In NRW fehlten «rund 5000 Lehrer». Sommer wies dies erneut als «Lüge» zurück.

Vom «letzten Presseauftritt» Sommers vor Beginn eines Schuljahres sprach Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann. Nach der Landtagswahl am 9. Mai 2010 werde Sommer nicht mehr Schulministerin sein. Mit «Taschenspielertricks und verschleiernden Berechnungen» könne Sommer nicht darüber hinwegtäuschen, dass Schwarz-Gelb zentrale Wahlversprechen gebrochen habe. Das «Turbo-Abi» laste auf den Schulen und der Ganztagsausbau stocke, rügte Löhrmann.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßte Sommers Ankündigung, noch in diesem Schuljahr einen konkreten Plan für kleinere Klassen vorzulegen, zeigte sich aber skeptisch. «Die GEW setzt darauf, dass der Plan nicht wie im Jahr 2005 in einem leeren Wahlversprechen endet», sagte der Landesvorsitzende der Lehrergewerkschaft, Andreas Meyer-Lauber.