Forderung nach höheren Beiträgen wegen Schweinegrippe-Impfung stößt in Politik und Wirtschaft auf Ablehnung

Streit um Kosten

Die Forderung der Krankenkassen nach Beitragserhöhungen wegen der geplanten Impfungen gegen die sogenannte Schweinegrippe stößt bei Bundesregierung, Parteien und Arbeitgebern auf Widerstand. Erste Krankenkassen rücken aber bereits von den für Herbst angedrohten Beitragserhöhungen ab.

 (DR)

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) befürchtet zudem Nachteile für gesetzlich Versicherte, sollten die Impfungen in privaten Arztpraxen durchgeführt werden. In Deutschland sind derzeit rund 8620 Menschen an dem H1N1-Virus erkrankt.

Die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Helga Kühn-Mengel, sagte: «Impfen ist seit der letzten Gesundheitsreform Pflichtleistung der Kassen und zwar ohne Praxisgebühr und Erhöhung der Beiträge». Die Drohung der Kassen mit höheren Beiträgen sei unangemessen, gerade angesichts des diesjährigen Überschusses. Zudem sei eine Impfung günstiger, als die Behandlung erkrankter Menschen.

Erhöhung "undenkbar"?
Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält eine Anhebung des Kassenbeitrags zur Finanzierung der Schweinegrippe-Impfung für «undenkbar». Er «glaube, dass die Schätzung der Krankenkassen von einer Milliarde Euro zu hoch gegriffen ist». Lauterbach geht von Zusatzkosten in Höhe von 500 Millionen Euro aus, was «weniger als ein halbes Prozent der Ausgaben der Kassen pro Jahr» sei und «innerhalb der Schwankungsbreite der Ausgaben, die man erwarten kann» liege.

Zudem hielt er einigen Kassen vor, sie könnten die Impfdebatte nur als Vorwand für Beitragssteigerungen missbrauchen. Die Kassen hätten die Zusatzbeiträge auch ohne Schweinegrippe nehmen müssen, rechtfertigten sie aber womöglich mit den Impfkosten.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Terpe bezeichnete die Forderung der gesetzlichen Krankenkassen als «Vorwand». Die Kassen «suchen schlicht einen Grund, um die Beitragssenkung vom Juli wieder auszugleichen», sagte Terpe. Auch nach Ansicht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ist die Anhebung des Beitragssatzes zur Finanzierung eines Ausgabenanstiegs der Kassen «weder notwendig noch möglich».

Der GKV-Spitzenverband hatte Beitragserhöhungen zum 1. Oktober verlangt, sollten die Kassen die Kosten für die Impfungen selbst tragen müssen. Der Verband befürchte zudem «eine Bevorzugung von Privatpatienten in Arztpraxen, die davon ausgehen müssen, lukrative Patienten zu verlieren, wenn sie entsprechende Impfwünsche ablehnen«, sagte GKV-Sprecherin Ann Marini.

Unterdessen rücken erste Kassen von der Forderung nach Beitragserhöhungen ab. Eine Sprecherin der KKH-Allianz sagte, eine Beitragsanhebung für KKH-Versicherte sei derzeit auch für den Fall ausgeschlossen, dass die Kassen die Impfkosten komplett aus eigener Tasche bezahlen müssten. Ein Sprecher der Gmünder Ersatzkasse erklärte, eine Beitragserhöhung sei bis Jahresende ausgeschlossen.

Riesengeschäft für die Pharmaindustrie
Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Lungenfacharzt Wolfgang Wodarg hält die Angst vor der Pandemie für eine «Inszenierung«. »Das ist ein Riesengeschäft für die Pharmaindustrie», sagte Wodarg. Die sogenannte Schweinegrippe unterscheide sich nicht von den üblichen Grippewellen. »Im Gegenteil: Wenn sie die Zahl der Fälle sehen, ist das lächerlich verglichen mit anderen Grippezügen.»

Verbraucherschützer sehen den Bund in der Pflicht und forderten, die Impfung aus Steuermitteln zu finanzieren. Der von den Kassen erwogene Zusatzbeitrag sei die schlechteste Finanzierungsmöglichkeit, sagte Stefan Etgeton von der Verbraucherzentrale Bundesverband. «Eine solche Pauschale ist für alle Versicherten gleich hoch und trifft die Ärmsten besonders stark», sagte Etgeton. Aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit plädierte er für einen Steuerzuschuss.