Iranische Oppositionsgruppe veranstaltet Protestaktion

Hungerstreik im Gotteshaus

Etwa 50 Angehörige der umstrittenen iranischen Volksmudschahedin befinden sich seit über einer Woche in einer Berliner Kirche im Hungerstreik. Die Volksmudschahedin gelten als militante straff organisierte Kaderpartei mit sektenhaften Zügen, die einer marxistisch-islamischen Ideologie anhängen. Dennoch: "Menschenrechte sind unteilbar", sagt der Pfarrer der Gemeinde, Peter Storck.

Autor/in:
Benjamin Lassiwe
 (DR)

Arabische Musik dröhnt aus den Lautsprechern. Aufgeladen und kämpferisch wirken die Lieder, aufgeladen und kämpferisch klingen auch die Sprechchöre vor dem Berliner Auswärtigem Amt. «Keine Geschäfte mit den Mullahs» und «Freiheit für Camp Ashraf» rufen die rund 60 Exiliraner und Sympathisanten, die sich unter den hohen Bäumen gegenüber vom Ministerium versammelt haben. Sie schwenken gelbe Fahnen, mit arabischen Schriftzügen, aber auch dem roten Sowjetstern. An diesem Mittwochabend gehen die meisten von ihnen zurück in die evangelische Heilig-Kreuz-Kirche. Hier befinden sie sich seit Dienstag vergangener Woche im Hungerstreik.

«Wir protestieren dagegen, dass Camp Ashraf erstürmt wurde», sagt Mohammed Mochiri, ein Sprecher der Gruppe. «Wir wollen, dass sich die Bundesregierung für unsere Angehörigen einsetzt.» Camp Ashraf ist ein Lager im Irak, rund 130 Kilometer nördlich von Baghdad. Hier leben rund 3.500 Anhänger der iranischen Volksmudschahedin. Zu Zeiten des Diktators Saddam Hussein waren sie im Irak willkommen: Gemeinsam kämpfte man gegen die Mullahs. Auch vor Bombenanschlägen und Terror schreckte die iranische Oppositionsgruppe damals nicht zurück.

Bis heute werden sie deswegen in Deutschland unter der Rubrik «Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern und Verdachtsfälle» des Verfassungsschutzberichts erwähnt. Doch 2003, während des Irak-Krieges, übergaben die Bewohner von Camp Ashraf ihre Waffen an die Amerikaner. «Die Voraussetzungen für die Durchführung terroristischer Aktionen im Iran» seien «seitdem nicht vorhanden», heißt es im Verfassungsschutzbericht dazu. In den USA werden sie dennoch nach wie vor als Terroristen eingestuft.

Seit Anfang des Jahres liegt die Verantwortung für das Lager bei der irakischen Regierung. Am 28. Juli wurde es von ihren Sicherheitskräften gestürmt. 13 Menschen kamen dabei ums Leben, 36 Personen wurden festgenommen. «Sie wurden entführt», sagt Mohammed Mochiri. Aus Sicht des Sprechers der Berliner Hungerstreikenden stecken die irakischen Sicherheitskräfte mit dem iranischen Regime unter einer Decke. Die Iraker hätten die Wassertanks von Camp Ashraf durchlöchert, mit Autos hätten sie eine regelrechte Jagd auf die Bewohner gemacht.

Ihre Protestaktion konnten die Exiliraner schließlich in dem evangelischen Gotteshaus in Kreuzberg starten. «Die Menschenrechte sind unteilbar», sagt der Pfarrer der Gemeinde, Peter Storck. «Sie gelten auch für die Menschen in Camp Ashraf». Seine Gemeinde setzt sich schon seit vielen Jahren für Flüchtlinge ein: Immer wieder wird von Abschiebung bedrohten Migranten Kirchenasyl eingeräumt. In den Gemeinderäumen gibt es eine Beratungsstelle für Asylsuchende und jährlich findet in der Kirche eine Kunstauktion zu Gunsten von Projekten für Migranten und Flüchtlinge statt.

Nun sind in den Nebenräumen der Kirche zwei Matratzenlager entstanden. «Wir möchten die Taten der Volksmudschahedin nicht verteidigen oder verteufeln», betont Storck. «Was tatsächlich im Iran geschehen ist und was Propaganda des Mullahregimes ist, ist schwer zu durchschauen.» Der Gemeinde gehe es bei ihrer Unterstützung einzig um die Menschenrechte der Bewohner von Camp Ashraf. Und auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU), äußerte sich inzwischen besorgt über die dortige Situation. Die Hungerstreikenden wollen weitermachen, auch wenn mittlerweile einer von ihnen einen Kreislaufkollaps erlitt und derzeit in einer Klinik ist. «Bei uns ist es jedem selbst überlassen, mit dem Hungerstreik aufzuhören», so Mochiri. Die Aktion sei ein Schrei um Hilfe.