Regisseur Peter Zadek stirbt mit 83 Jahren

Rebell, der zum Klassiker wurde

Peter Zadek war einer der großen Erneuerer und Anreger des deutschen Theaters der vergangenen 50 Jahre, er hat unvergessliche Aufführungen geschaffen und zahlreichen Schauspielern ihre besten Rollen gegeben. In der Nacht zum Donnerstag starb er im Alter von 83 Jahren.

Autor/in:
Wilhelm Roth
Verstorben: Peter Zadek (epd)
Verstorben: Peter Zadek / ( epd )

Aber er hat keine «Schule» begründet, keine Nachfolger herangebildet, er war zweimal relativ kurz Intendant, in Bochum und am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, aber am freiesten fühlte er sich als freier Regisseur, er war ein Individualist, mit kaum einem anderen Theatermacher vergleichbar.

Am 19. Mai 1926 in Berlin geboren, emigrierte er 1933 mit den Eltern nach England, wo er nach dem Zweiten Weltkrieg zum Schauspieler und Regisseur ausgebildet wurde. 1958 kam er nach Deutschland zurück, inszenierte zuerst an kleinen Theatern, erregte aber schon 1961 Aufsehen mit Brendan Behans «Die Geisel» in Ulm, einer Ballade aus dem IRA-Untergrund. Zadek unterschied sich von den anderen großen Theaterleuten der Nachkriegszeit, die an die Tradition der Weimarer Republik anknüpften, er kam vom englischen Theater her, er trennte nicht zwischen Kunst und Unterhaltung. Shakespeare war ihm so nahe wie der Boulevard. Und für eine Provokation war er immer zu haben, um das Bildungsbürgertum aus dem Theaterschlaf aufzuschrecken.

In den 60er und 70er Jahren veränderte er mit seinen Shakespeare-Inszenierungen das deutsche Theater radikal. In dem 1999 gestorbenen Schauspieler Ulrich Wildgruber fand Zadek einen kongenialen Partner, er war sein Lear, Othello und Hamlet. Besonders der «Othello» (1976) ist in die Theatergeschichte eingegangen. Als Othello glauben muss, Desdemona (Eva Mattes) habe ihn mit Jago betrogen, jagt er sie über die Bühne, erwürgt sie und hängt sie über eine Wäscheleine. Er trauert wütend, rasend. Aber auch das Publikum rast - vor Empörung. Wohl noch nie vorher war auf einer deutschen Bühne die kreatürliche Not eines Menschen so unmittelbar, so ohne jede Scham dargestellt worden.

Aber Zadek hat auch immer wieder die Klassiker des späten 19. Jahrhunderts inszeniert, Tschechow und Ibsen. Besonders «Kirschgarten» (1997) und «Rosmersholm» (2000), beide in Wien, sind die klassischen Gegenpole zu den wilden Aufführungen der früheren Jahren. Zadek hat sich dabei sehr genau auf die Zeichnung der Charaktere eingelassen und sich als Regisseur zurückgenommen. Er ist einem Ideal nahegekommen, das er einmal so formulierte: Ihm wäre es «am liebsten, wenn ich es irgendwann erreichen würde, dass man nicht mehr merkt, dass ein Regisseur am Werk war.» Zadek war unendlich produktiv, einige Jahre hat er auch für das Fernsehen gearbeitet, «Rotmord» (1970, zusammen mit Tankred Dorst) über die Münchner Räterepublik ist bis heute ein frühes, revolutionäres Stück Fernsehgeschichte.

In den Jahren 2006 und 2007 schien es, als müsste der schwer erkrankte Zadek seine Theaterlaufbahn beenden. Seine Inszenierung von Shakespeares «Was ihr wollt» wurde immer wieder verschoben und schließlich abgesagt, mit seinen berühmten Schauspielern, die nicht immer wieder von einem zum nächsten Premierentermin warten wollten, zerstritt er sich. Doch Zadek versuchte ein Comeback mit neuen Schauspielern und selten gespielten Stücken. 2008 inszenierte er in Hamburg Luigi Pirandellos «Nackt» von 1922 und 2009 am Zürcher Schauspielhaus George Bernard Shaws «Major Barbara» (1905). Beide Aufführungen fielen bei der Kritik durch, von der einstigen Regiepranke Zadeks war nichts mehr zu spüren. Doch seine Verdienste um das Theater sind unvergessen: Ende 2008 erhielt er den österreichischen Theaterpreis «Nestroy» für sein Lebenswerk.