Vier deutsche Milchbauern suchen Hilfe bei Benedikt XVI.

Mit dem Traktor zum Papst

Für vier deutsche Milchbauern gibt es kein Halten mehr. Im Zorn über die EU-Milchpreispolitik haben sie sich auf Pilgerfahrt zum Vatikan gemacht - mit ihren Traktoren und einer Botschaft für den Papst. Nichts kann sie mehr bremsen. An diesem Freitag, nach sechs Tagen auf dem Schlepper, wollen Jacob de Vries und seine drei Wallfahrtsgefährten im Staatssekretariat des Heiligen Stuhls vorsprechen

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Wer sie erwartet, wissen sie nicht. Auf jeden Fall werden sie ihre Bitte hinterlassen: dass der Papst den Regierenden ins Gewissen redet. Dass es nicht angeht, dass «die Landwirte in ganz Europa in die Enge getrieben werden», wie de Vries sagt.

De Vries ist einfacher Landwirt aus Dadow, Mecklenburg-Vorpommern. Als zwei Bauern in der Nachbarschaft sich das Leben nahmen, war für ihn das Maß voll. Der 62-Jährige wollte zum Papst. «Eine spontane Reaktion», sagt er. Sein Gemeindepfarrer gab ihm ein Empfehlungsschreiben mit. Und auf dem Hänger seines Traktors befestigte er ein Transparent: «Meinen Glauben an die Politik habe ich verloren - an Gott nicht.»

In der EU wie auch in der Schweiz klagen Milchbauern über einen Preisverfall. Der Ertrag ist auf einem Rekordtief angelangt. Laut der österreichischen Interessengemeinschaft für Rinder- und Grünlandbauern liegt der Erzeugerpreis für den Liter Milch inzwischen bei 27 Cent brutto (23 Cent netto) - und ist damit alles andere als kostendeckend.

Auch die Milchtransporte quer durch die EU sind den Bauern ein Dorn im Auge. Am Dienstag, als die Mecklenburger auf ihren Trekkern den Brennerpass überquerten, protestierten dort rund 1.000 Kollegen vom italienischen Bauernverband Coldiretti gegen die aus ihrer Sicht wettbewerbsverzerrende Milchkutscherei. 3,5 Millionen Liter Milch würden täglich über den Brenner nach Italien gebracht - und das ohne Kennzeichnung, so eine Coldiretti-Vertreterin. Auch Italiens Landwirtschaftsminister Luca Zaia hatte sich zu den Demonstranten gesellt. Er forderte strengere Regeln bei der Herkunftsbezeichnung.
Bauern nördlich wie südlich der Alpen im Milch-Aufruhr.

Unterdessen zog die kleine Karawane von zwei Trekkern und einem VW-Bulli weiter, machte Quartier auf einem Hof am Gardasee, in «einer Art Kuhstall mit schöner Gastronomie, sehr edel». Dass der Papst derzeit gar nicht im Vatikan weilt, sondern in seinem Ferienhäuschen von Les Combes im Aostatal, erfuhren die Pilger erst unterwegs. Die Route ändern wollten sie nicht. «Meine Botschaft hat gelautet, ich fahre nach Rom», sagt de Vries - und dabei blieb es.

Die letzten 500 Kilometer legten sie mehr oder weniger auf dem jahrhundertealten Pilgerweg der «Via Francigena» zurück, über Fidenza, Pisa, Livorno - bestaunt von Passanten und Carabinieri.
Sogar als sie aus Versehen mit den Schleppern auf der Autobahn landeten, drückten die Ordnungshüter ein Auge zu. Vor den Toren Roms ist vorerst Schluss. Die Polizei will die Landmaschinen nicht in die Stadt lassen. So ist noch offen, ob sie mit dem Traktor im Vatikan vorfahren, und irgendwie auch egal. Im Gepäck haben sie nur einen Brief. Und die Bitte um eine Audienz bei Benedikt XVI. «Wenn wir das in ein paar Wochen nachholen», sagt de Vries, «dann bin ich schon zufrieden».