Mexikos Bischöfe und der Drogenkrieg in ihrem Land

Kirche läutet die Alarmglocken

Mexikos Drogen-Mafia ruiniert das Land mit Mord und Bestechung. Sie richtet Polizisten hin und bringt ganze Familien um. Die Regierung schickt tausende Soldaten - ohne Erfolg. Täglich druckt die Zeitung "El Universal" die aktuelle Zahl der Opfer im Drogen-Kampf. Es sind fast 5000. Nun mischen sich die katholischen Bischöfe aktiv ein. Auch weil sich viele Gläubige nicht mehr in die Kirchen trauen.

Autor/in:
kna
 (DR)

Mexikos Präsident Felipe Calderon legt wieder einmal nach: Mit weiteren 5.500 Soldaten will der seit den jüngsten Parlamentswahlen angeschlagene Staats- und Regierungschef das Problem des ausufernden Drogenkriegs in den Griff bekommen. Diesmal gilt das Augenmerk der Sicherheitskräfte dem Bundesstaat Michoacan. Aus gutem Grund: «Es gibt hier ein Klima des Terrors und der Angst», meldeten sich jüngst die Bischöfe der zentralmexikanischen Provinz mit einer alarmierenden Botschaft zu Wort. Mit einer neuen kriminellen Offensive hätten die Drogenkartelle noch mehr Gewalt und Tod in die Region gebracht.

Bischof: «Wir sind in großer Sorge»
Bischof Alberto Suarez läutet via Webseite der Erzdiözese Morelia die Alarmglocken. «Wir sind in großer Sorge», schreibt er. Viele Menschen hätten Morddrohungen erhalten oder seien Opfer von Erpressung und Entführung geworden. Die Bürger fühlten sich schutzlos und allein gelassen. Es gebe zahlreiche traumatisierte Familien, deren Angehörige Opfer von Vergewaltigung, Mord oder anderen Gewaltverbrechen geworden seien. Die Priester berichten sogar von «Geisterstädten» - die Einwohner hätten aus Angst die besonders umkämpften Dörfer verlassen und seien auf der Flucht.

Am Sonntag wurde die Botschaft in allen Kirchen der Diözese verlesen. Die Pfarrer verbanden die Predigt mit einer konkreten
Aufforderung: «Alle Katholiken sollen vom 23. bis 25. Juli in den Pfarreien zusammenkommen, um für die Rückkehr des Friedens in Michoacan zu beten.» Das Gemeinschaftsgefühl soll helfen, die Angst vor dem Kirchenbesuch zu überwinden. Denn auch religiöse Vertreter aller Glaubensrichtungen, die sich mutig den Drogenkartellen in den Weg stellen, sind längst Opfer von Mordanschlägen geworden.

Polizei und Militär ohne Chance
In den vergangenen Monaten ist die Situation in Mexiko eskaliert: Die bislang entsandten 7.000 Sicherheitskräfte waren mit der Situation in Michoacan völlig überfordert. Die Drogenkartelle sind beängstigend gut organisiert und waffentechnisch bestens ausgerüstet. Obendrein sind vor allem Polizisten das bevorzugte Opfer des Bandenterrors: Nachdem vor gut einer Woche den Sicherheitskräften mit Arnoldo Rueda Miranda alias «La Minsa» einer der führenden Köpfe des Kartells La Familia (Die Familie) ins Netz ging, ermordeten die Rauschgifthändler aus Rache binnen weniger Tage
16 Polizisten.

Als darüber hinaus auch noch mehrere Polizeistationen ins Visier der rücksichtslosen Angreifer gerieten, wurde auch Präsident Calderon klar, dass seine Truppen in Michoacan dringend Verstärkung brauchen. Obendrein hatten die Gangster der Regierung noch auf besonders perfide Weise den Krieg erklärt: Neben zwölf grausam zugerichtete Leichen von Polizisten fanden die Ermittler Papierzettel mit eindringlichen Warnungen: «Nehmt ruhig den nächsten fest. Wir kommen dann bestimmt wieder.»

Wie grausam der Drogenkrieg in Mexiko geführt wird, beweisen die jüngsten Zahlen: Seit Anfang 2008 sollen fast 10.000 Menschen ums Leben gekommen sein. Die Kartelle Sinaloa, Ciudad Juarez und La Familia verfügen dank der Milliardeneinnahmen aus dem Drogenhandel über hochgerüstete Privatarmeen und über die notwendigen finanziellen Mittel, Justiz, Polizei und Politik zu korrumpieren. In einigen Regionen des Landes, so rechnen Drogenexperten vor, sollen bereits 90 Prozent des staatlichen Apparates von der Drogenmafia kontrolliert werden. Sogar religiöse Führer stehen auf der Lohnliste der Kartelle, beklagen Menschenrechtsorganisationen.

Für Bischof Alberto Suarez Anlass zu einem eindringlichen Appell: «Es ist Zeit, die Stimme zu erheben und im Namen Gottes zu bitten: Schluss mit dem Morden.» Zudem wurden nach Angaben der Kirche in einigen Pfarreien Präventionsprogramme gestartet und Dealer, die Drogen an Minderjährige verkauften, angezeigt. Dieses Engagement hat Konsequenzen. Wie jetzt bekannt wurde, erhielten gleich drei Bischöfe und zahlreiche Priester der Region am Wochenende Morddrohungen. «Sie haben uns gesagt, dass wir aufhören sollen, den Drogenhandel zu verdammen», so ein Sprecher der Erzdiözese Mexiko-Stadt.